: Sitzenbleiben fast passé
Senatorin stellt Eckpunkte für die Schulreform vor. Stadtteilschulen sollen vierzügig werden, keine Mindestgröße ist für Gymnasien vorgesehen. Kriterien für den Übergang in die 7. Klasse sind offen
VON KAIJA KUTTER
Hamburgs Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) legt bei der Umsetzung ihrer Reform Tempo vor. Montag Abend eröffnete sie im Gymnasium Grothmoor die erste von 22 Regionalen Schulentwicklungskonferenzen (RKS). Darin sollen die beteiligen Schulen bis zum Mai in vier moderierten Sitzungen klären, welche Schule künftig Primar-, Stadtteilschule oder Gymnasium wird. Goetsch sprach von einem „neuen Kapitel von Beteiligungskultur“: Die vor Ort erstellten Empfehlungen sollen Grundlage sein für einen Schulentwicklungsplan. Dieser wird von der Behörde im Juli vorgestellt und – so die Planung – im kommenden Jahr umgesetzt.
„Wir wollen weniger Abbrecher und mehr Abiturienten“, sagte Goetsch, als sie zuvor Eckpunkte vorstellte. Das Thema sei „Schulentwicklung, nicht Schulschließung“. Bereits bekannt wurde, dass die Primarschulen für die Jahrgänge 0 bis 6 möglichst je drei Parallelklassen (Züge) haben sollen. Die künftigen Stadtteilschulen, die aus den heutigen Gesamtschulen und Haupt- und Realschulen (HR) und den Aufbaugymnasien hervorgehen, sollen mindestens vier Züge haben. Da es zahlreiche HR-Schulen gibt, die nur ein oder zwei Züge haben, wird es hier zu einer Konzentration kommen. Keine solche Vorgabe gibt es für die Gymnasien. Sie erwarte aber, sagte Goetsch, „dass die Gymnasien in der Region sich so zusammen tun, dass sie vernünftige Oberstufen zusammen bekommen“.
Für die Primarschule wird es, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, drei Formen geben. So kann es sein, dass die Jahrgänge 4 bis 6 oder auch 0 bis 6, an einer Stadtteilschule oder einem Gymnasium untergebracht sind. Goetsch zufolge beeinflusst dies die Wahl der weiterführenden Schule nicht: „Nach Klasse 6 muss das Gymnasium alle Schüler aufnehmen.“
Voraussetzung dafür ist eine „Gymnasialberechtigung“, über die die Zeugniskonferenz der Primarschule entscheidet. Dort soll künftig ab Klasse 1 Englisch und – als Wahlfach – ab Klasse 5 eine zweite Fremdsprache angeboten werden. Gymnasien dürfen Fremdsprachenkenntnisse aber nicht zur Voraussetzung für die Aufnahme in Klasse 7 machen.
Noch offen ist die Frage, nach welchen Kriterien die Gymnasialberechtigung vergeben wird. Bislang wird in die 7. Klasse versetzt, wer in Deutsch, Mathematik und Englisch die Note vier hat und etwaige Fünfen durch bessere Zensuren ausgleichen kann. Auf die Frage, ob diese Kriterien weiter gelten, sagte Goetsch: „Das wird erarbeitet.“ In den Eckpunkten heißt es, die Gymnasien sollten „besonders leistungsstarke“ Schüler fördern.
Für die Schüler wird das Lernen offenbar entspannter: In der Primarschule wird es gar kein Sitzenbleiben mehr geben. An Gymnasien und Stadtteilschulen sollen Wiederholungen „weitgehend vermieden“ und nur in Ausnahmefällen wie längerer Krankheit zugelassen werden.
Der SPD-Schulpolitiker Thies Rabe warf Goetsch vor, wichtige Frage nicht beantwortet zu haben, etwa die Folgen der Abschaffung des Elternrechts. „Es wird einen Ansturm auf die Primarschulen geben, die, in welcher Form auch immer, mit Gymnasien zusammen arbeiten“, sagte der Oppositionspolitiker. Auch werde die Idee des längeren gemeinsamen Lernens „nicht gefördert, sondern unterlaufen“.
Derart harsche Worte werden in den RKS wohl nicht fallen. Es gebe bei den dort Beteiligten „ein großes Maß an Realismus“, sagte Planungsstabsleiter Hans-Peter de Lorent: „Da werden keine Grundsatzdebatten geführt.“
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