: berliner szenen Krass Doppelpass
Der bessere Deutsche
Nachdem S. in Serbien sein Diplom gemacht hatte, entschied er sich für ein Bachelorstudium an der FU. Warum, wird ein Geheimnis bleiben.
Von Konvertiten sagt man, sie seien radikaler als selbst ihre orthodoxen Glaubensgenossen. Was aber sagt man über Menschen mit Doppelpass? S. hat sein halbes Leben in Berlin zugebracht. Er müsste wissen, was an der Uni geht. Nämlich: nichts. Bachelor hin oder her. Berlin kann froh sein, dass es noch Studenten gibt, die jeden Tag in die maroden Unis schlurfen. S. aber haben seine Jahre in Serbien zu einem besseren Deutschen gemacht. Seit Tagen ruft er aus Belgrad bei der FU an, um zu erfahren, ob er sich eine Woche Fehlzeit erlauben könne. Er müsse in Belgrad eine Prüfung absolvieren. Natürlich haben die Telefonisten keine Ahnung. Der Asta auch nicht. Warum auch? Jeder Student weiß, dass man besser nicht fragt. Man erfährt ohnehin nur, dass die genehmigte Fächerkombination nicht „legal“ ist, die bereits anerkannten Leistungsnachweise vom Prüfungsamt nicht anerkannt werden, die Fakultät seit letztem Jahr geschlossen ist etc.
S. kündigt sich per SMS an. Ein gemeinsamer Freund, der schon vor zehn Jahren sein Studium schmiss, hatte mich empfohlen. S. fragt also mich, ob man in Deutschland eine Woche fehlen könne, was passiere, wenn, und wo es die entsprechenden Formulare gebe. Genauso wie es der Einpassdeutsche seit 60 Jahren hält, wünscht auch S. sich, für alles, was er tut, mindestens eine Tracht Prügel. Er wird erst mit der Antwort zufrieden sein: Einmal Fehlen gleich Exmatrikulation. Ich aber sage, er könne froh sein, wenn das betreffende Seminar überhaupt stattfindet. S. meint, das wisse er nicht so genau. Er rufe lieber noch mal in der Uni an. SONJA VOGEL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen