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Bambule ist zurück im Karoviertel

Überraschender Coup: Bauwagenbewohner fuhren gestern Nachmittag zu ihrem alten Platz zurück. Polizei wurde kalt erwischt, blieb aber friedlich. Innenbehörde setzt weiter auf Hinhaltetaktik. Neue Verhandlung vielleicht nächsten Mittwoch

von KAI VON APPENund ELKE SPANNER

Bambule ist wieder zu Hause – zumindest zeitweilig. Mit sieben Wagen und lautstarker Musik kehrten die BewohnerInnen des am 4. November durch ein Großaufgebot der Polizei geräumten Bauwagenplatzes gestern Abend zu ihrem alten Domizil an der Vorwerkstraße im Karolinenviertel zurück. Dort ist eine „Mahnwache bis zu einer Sofortlösung“ eingerichtet und angemeldet worden. Die völlig überraschte Polizei marschierte zwar auf, hielt sich aber bis Redaktionsschluss zurück.

„Wir sind wieder da“, dröhnt es gegen 17 Uhr aus dem gewaltigen Megawatt-Lautsprecher an der Vorwerkstraße. Auf der benachbarten Laeiszstraße liegen umgeworfene Straßenbegrenzungen herum, optische Indizien für die Rückkehr der Vertriebenen. Die Nachricht spricht sich im Karolinenviertel schnell herum. Über 200 UnterstützerInnen strömen zu dem Platz, auf dem die Bauwagen jahrelang bis zur gewaltsamen Vertreibung gestanden hatten.

Die Polizei zeigt sich völlig irritiert. Sie war von einem Ablenkungsfahrzeug völlig in die falsche Richtung gelockt worden. Hektisch funken und telefonieren die Zivilfahnder, Uniformierte werden herangekarrt, errichten Straßensperren und lassen nur Personen gegen Vorlage des Personalausweises durch. Selbst eine Frau mit Kinderwagen muss ihren Wohnsitz im Sperrbezirk nachweisen, verblüfft aber die Ordnungsmacht: „Oh? Bambule ist zurück? Das ist ja schön! Wenn ich das mal so sagen darf.“ Mehrere AnwohnerInnen lassen sich nicht einschüchtern und marschieren einfach durch die Polizeisperre in ihre Wohnungen.

Nur wenige Stunden zuvor hatte der Senatsunterhändler und Innenstaatsrat Walter Wellinghausen die Bauwagengruppe erneut vertrösten lassen. Erst für kommenden Mittwoch stellt Wellinghausen einen erneuten Verhandlungstermin in Aussicht, ohne wieder einmal einen konkreten Platz für den Verbleib der Wohngefährte zu nennen. Für Bambule-Anwalt Andreas Beuth ein neuerliches Indiz für die „Hinhaltetaktik“ des Senats.

Die Polizei hat den Bauwagen-Aufzug im Karoviertel erst schlicht nicht mitbekommen, dann hat sie mit demonstrativer Gelassenheit darauf reagiert. Zunächst müsse geprüft werden, ob es sich um eine Besetzung oder eine Demonstration handele, sagte Polizeisprecher Reinhard Fallak zur taz, als die Wagen bereits rund eine Stunde in der Vorwerkstraße geparkt hatten. Dass die Bauwagen-BewohnerInnen wieder ihren alten Standort beziehen könnten, fürchtete er nicht, da das Gelände für Wagen abgeriegelt sei.

Sorgen bereitete ihm vielmehr, dass durch die Aktion die Vorwerkstraße über längere Zeit blockiert worden ist: „Das ist ärgerlich.“ Als die DemonstrantInnen dann eine Mahnwache anmeldeten, zog die Polizei sich zurück.

Die Innenbehörde wollte sich nicht zu dem Geschehen im Karoviertel äußern. „Das ist eine demonstrative Aktion und eine Frage der polizeilichen Bewertung“, sagte Sprecher Thomas Model. Innenstaatsrat Walter Wellinghausen war nicht zu einer Stellungnahme bereit – obwohl er mit seinem Spiel auf Zeit den Anlass für die Demonstration geboten hatte.

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