: Bomben-Deal von Achim nach Bagdad
Ein Geschäftsmann aus Achim soll die Lieferung von Bohrwerkzeugen veranlasst haben, mit denen der Irak Geschützrohre produziert. Damit könnten chemische und biologische Kampfstoffe 56 Kilometer weit fliegen
taz ■ Schlechtes Timing könnte man es nennen. Die Welt blickt mal wieder auf den Oberschurkenstaat Irak, die USA blasen zum Angriff. Für das, was ihnen da entgegenfliegen könnte, soll ein Geschäftsmann aus Achim die Mitverantwortung tragen.
Willi Heinz R. wird heute vor dem Mannheimer Landgericht befragt werden. Der Tatvorwurf gegen den 54-Jährigen: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz. 1999, als das UN-Waffenembargo gegen den Irak schon acht Jahre in Kraft war, soll er so genannte Tiefbohrwerkzeuge geliefert haben.
R. war Gebietsvertreter der Burgsmüller GmbH, damals mit Sitz im südniedersächsischen Kreiensen und in Achim bei Bremen. Das Embargo, so die Anklageschrift, sollen R. und der Hauptangeklagte Bernd S. aus Mannheim durch die Lieferung über Scheinfirmen nach Jordanien umgangen haben.
Von dort gingen die Spezialwerkzeuge in den Irak, wo sie zum Bau von Artillerie-Geschützrohren bestimmt waren.
Der Spiegel berichtete im vergangenen Jahr, der Irak habe die Tiefbohrwerkzeuge zur Produktion seiner „al-Fao“-Kanone gebraucht, die als eine der besten Kanonen der Welt gelte. Damit könnten 109-Kilogramm-Granaten bis zu 56 Kilometer weit geschossen werden – auch biologische und chemische Munition.
Die Presseagentur Reuters meldet, Willi Heinz R. habe ebenso wie der Hauptangeklagte S. im Ermittlungsverfahren eingeräumt, das Bestimmungsland und die geplante Verwendung der Werkzeuge gekannt zu haben.
S. bestritt das allerdings am Dienstag vor Gericht. Er habe lediglich vermutet, dass der Endabnehmer der Irak sei. R. soll für die Lieferung der Werkzeuge (Preis: 400.000 Mark) eine Provision in Höhe von insgesamt 70.000 Mark erhalten haben. 40.000 davon hat laut Anklageschrift der Hauptangeklagte S. bezahlt, 30.000 der Mittelsmann Sahib al-H., ein Iraker mit US-Pass, der vor einem Monat mit internationalem Haftbefehl in Bulgarien festgenommen worden war. Die Mannheimer Staatsanwaltschaft hat inzwischen seine Auslieferung beantragt.
Bei der Burgsmüller GmbH weist man die Verantwortung für die Lieferung von sich. Von dem in Achim angesiedelten Bereich Tiefbohrtechnik, deren Erfindung im Vorkriegsjahr 1938 auf der Firmen-Homepage immer noch als „Meilenstein“ gefeiert wird, habe man sich getrennt. Allerdings erst im Jahr 2000, ein Jahr nach dem Werkzeug-Deal. Der neue Eigentümer Hans Gerken, der das Unternehmen als „BTA Tiefbohrtechnik“ in Achim weiterführt, fühlt sich für die Geschäfte vor seinem Einstieg ebenfalls nicht verantwortlich. „Das wird jetzt alles so hochstilisiert“, klagt der Unternehmer, „dabei wird Tiefbohrtechnik zu 99 Prozent für zivile Nutzungen eingesetzt.“
Der Angeklagte ist nach wie vor Mitarbeiter von BTA. Heute wird sich zeigen, ob er auch vor Gericht einräumt, vom Verwendungszweck der Werkzeuge gewusst zu haben. Dass er – voraussichtlich Ende Januar – ein mildes Urteil bekommt, ist angesichts der Weltlage unwahrscheinlich. Vorsichtshalber hat er für die Verhandlung schon mal einen zweiten Anwalt verpflichtet: Erich Joester, Spezialist für schwierige Fälle und Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Bremen.
Jan Kahlcke
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