: Jeder Zweite wird ersetzt
In Frankreich läuft eine Kampagne gegen die Krankenhausschließungen. Zerschlagung schreitet voran
PARIS taz ■ „Gleiches Recht auf Gesundheit für alle“, lautet die Kampagne, die in dieser Woche in Paris gestartet ist. Mehr als 150 Komitees haben sich zur Verteidigung von „Nachbarschaftskrankenhäusern“ und Geburtskliniken zusammengeschlossen. Wenn Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot am 8. Oktober ihr neues Gesetz zur Organisation des Gesundheitswesens vorstellt, wollen die Kollektive dagegen halten. „Die Zerschlagung des Gesundheitswesens schreitet voran“, klagt Sprecher, Michel Antony. „Die Reform teilt dem privaten Gesundheitssektor neue Aufgaben zu, ohne ihm dieselben Verpflichtungen aufzuerlegen“, stellt Gaby Bonnand, Gewerkschafter im Gesundheitsbereich der CFDT, fest: „Die öffentliche Gesundheitsversorgung, wie die Notaufnahmen, wird weiter geschwächt.“
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kliniken umzuorganisieren, ihren ChefInnen mehr Entscheidungsbefugnisse zu geben und „regionale Gesundheitsagenturen“ zu eröffnen. Hinter der Reform stecken die Einsparpläne von Präsident Nicolas Sarkozy. Für den öffentlichen Dienst gilt seine Maßgabe: Nur jede/r zweite verrentente BeamtIn wird ersetzt.
Rund um öffentliche Krankenhäuser haben sich in Frankreich Verteidigungskollektive gebildet. Und kämpfen erbittert. Doch sie haben nicht verhindern können, daß in den Jahren von 1997 bis 2004 in Frankreich, dem Land mit der höchsten Geburtenrate der EU, insgesamt 78 Geburtsstationen geschlossen wurden. Und landesweit grassiert – sowohl bei ÄrztInnen, als auch bei Krankenschwestern im öffentlichen Dienst Personalmangel.
Hauptargument für die sukzessiven Reformen im Krankenhauswesen ist die Kostenlawine. Das Defizit der öffentlichen Krankenhäuser betrug im vergangenen Jahr 660 Millionen Euro. Die andere Seite argumentiert mit der sozialen und territorialen Gerechtigkeit. Denn jedes Mal, wenn irgendwo in der Provinz ein Krankenhaus schließt, gehen dabei nicht Arbeitsplätze verloren, sondern verlieren zugleich die umliegenden Orte an Wohnqualität – sowohl für junge Familien als auch für alte Leute. Auch deshalb sind an den Protesten gegen die neue Gesundheitsreform auch die BürgermeisterInnen beteiligt. dora
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