press-schlag: Geklonte Spiele, Weißekragentäter und die große gärtnerische Fachanalyse
Eines der größten Rätsel des Bundesliga-Fußballs gelöst: Sieg oder Niederlage? Alles nur eine Frage der Kleiderordnung
Den Chinesen traut man ja alles zu heutzutage. Am vorvergangenen Samstag weilte der Autor dieser Zeilen noch in Peking und staunte nicht schlecht: Zur Ortszeit abends flimmerte in den Kneipen Bayern–Bremen über den Bildschirm, ein Blick: Uiuiui, Zwischenstand 0:2; etwas später, anderes Lokal: 0:5. Häh!? Klonen die Chinesen jetzt schon die Bundesliga, fälschen die Spiele einfach nach Gusto? Und machen dabei die Bayern virtuell fertig, seit ihr großer Liebling Olli Kahn in Rente ist?
Und jetzt hat der FC Sonstimmerallesbesiegen schon wieder vergeigt. Aber Konfuzius weiß: Verlieren gehört zum Dasein. Gräme dich nicht. Wachse daran.
Energie Cottbus, die Routiniers des Verlierens, zeigen Auswege aus dem Daseinsdilemma: Die richtige Kleidung. Kaum laufen die südosteuropäischen Wanderarbeiter wieder als orange Merkstifte über den Platz, gelingt der erste Sieg. Umgekehrt führt die falsche Garderobe zum Abgrund, etwa bei den Übungsleitern. Seit der Fußball auf Imagetour in der Mittelschicht ist, verleugnen smarte Trainerwesen den alten Malochersport: Gern tragen sie fein gebügelte blütenweiße Hemden, als seien sie zu einem Geschäftsessen eingeladen oder auf einer Hochzeit.
Und das geht schief: Gladbachs Jos Luhukay, der Stuttgarter Armin Veh, Schalkes Fred Rutten alle verloren weißbehemdet, zudem torlos. Gleich doppelt daneben griff die armselige Hertha. Coach Lucien Favre gab weißhemdig seine Fehler-Analyse (im einen Fernsehprogramm: „taktische Defizite“, im nächsten: „technische Defizite“), und im Hintergrund lief auch Manager Dieter Hoeneß als Weißerkragentäter umher. Wie soll man bei seinen verhätschelten Schraubstollen-Yuppies die berühmten Grundtugenden anmahnen, das Ärmelhochkrempeln, wenn man selbst als Geck daherstolziert!
Als Gegenbeispiel scheint der edle FC Bayern zu taugen. Jürgen Klinsmann, der moderne Seher, hat sein wahrscheinlich längst müffelndes hellblaues Hemd vom Leib rotiert. Und verliert dennoch. Das Zeichen einer ernsten Krise. Dabei müsste Uli Hoeneß nur seinen alten Kumpel Christoph Daum um Rat fragen.
Köln ist nämlich wegweisend. Daum, der Magier, sieht seinen welkenden FC erblühen: „Das ist wie ein Samenkorn“, referierte er als kölsch-konfuzianischer Fußballgärtner, „das du in den Boden reintust, und jeden Tag guckst du drauf, wann das aufgeht. Da musst du gießen und gießen und irgendwann – wupp – kommt das irgendwie zum Vorschein, was du gar nicht mehr für möglich gehalten hast.“ Und Daum, der Biologe aus der Kostümestadt, zeigt Stil: Das Spiel hatte er im Arbeitsdress verfolgt und sich erst zum Botanikvortrag chic gemacht. Mit Schlips und Kragen, edlem Zwirn. Wahrscheinlich wenigstens das ein Billig-Imitat aus China. BERND MÜLLENDER
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