: Ein Superminister an der Waterkant
Ministerpräsidentin Heide Simonis bildet in Schleswig-Holstein ihr Kabinett um, das durch Filzvorwürfe belastet ist
HAMBURG taz ■ Heide Simonis will Handlungsfähigkeit beweisen. Sechs Wochen vor den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein setzt die einzige Ministerpräsidentin eines deutschen Bundeslandes eine markante Kabinettsreform durch. Dabei will sie zugleich jegliche Zweifel an ihrem Führungsanspruch ersticken: Bei den Landtagswahlen im Februar 2005, so die Botschaft der seit knapp zehn Jahren amtierenden Regierungschefin, wird die Spitzenkandidatin erneut Heide Simonis heißen. Die Einzelheiten ihrer Kabinettsumbildung will die 59-Jährige heute in Kiel bekannt geben. Klar ist aber bereits der Gewinner: Bernd Rohwer (SPD). Der Ressortchef für Wirtschaft und Verkehr erhält auch noch die Zuständigkeiten für Arbeit und wird so zum Superminister nach dem Vorbild von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD).
Machtzuwachs wird es auch für die Grünen geben, mit denen die SPD seit 1996 im nördlichsten Bundesland regiert. Umweltminister Klaus Müller wird künftig die Atomaufsicht aus dem Energieministerium übernehmen. Schleswig-Holstein hat mit den drei Reaktoren Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel eine der höchsten AKW-Dichten aller Bundesländer. Unklar ist noch die Zuständigkeit für erneuerbare Energien. Diese gilt im Land zwischen Nord- und Ostsee als besonders imageträchtig, ist doch Schleswig-Holstein der zweitgrößte Windenergieproduzent Europas nach Dänemark.
Verlierer der Reform sind Agrarministerin Ingrid Franzen und Finanz- und Energieminister Claus Möller (beide SPD). Das Landwirtschaftsressort wird aufgelöst. Den größten Teil davon erhält Sozialministerin Heide Moser als Ausgleich für das Arbeitsressort, das sie an Wirtschaftsminister Rohwer verliert. Moser soll künftig als Verbraucherschutzministerin analog zur grünen Bundesministerin Renate Künast agieren. Ausscheiden wird der dienstälteste Landesminister Claus Möller, der jahrelang als enger Vertrauter von Simonis galt. Sein Nachfolger im Finanzministerium soll dem Vernehmen nach Kultur-Staatssekretär Ralf Stegner (SPD) werden.
Der scheidende Möller machte eine unglückliche Figur in der Kieler Filz-Affäre, die ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss seit vorigem Sommer aufhellen will. Dort geht es um windige Geschäfte des Finanz-Staatssekretärs Joachim Lohmann, der bereits seinen Hut nehmen musste, und des Expo-Beauftragten des Landes, Karl Pröhl. Möller konnte bislang Vorwürfe nicht überzeugend widerlegen, dass er von den dubiosen Geschäften zu Lasten der Staatskasse gewusst hat. Zudem wird dem 60-Jährigen die desolate Finanzlage des Landes angelastet. Schleswig-Holstein ist konkursreif und fährt einen harten Sparkurs, der den öffentlichen Dienst und die Gewerkschaften verprellt. Sollte sich die Haushaltslage nicht zur nächsten Landtagswahl bessern, dürfte Simonis die längste Zeit die einzige Ministerpräsidentin gewesen sein. SVEN-MICHAEL VEIT
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