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Stempel drauf und weg

Ein Bündnis von offenen Erwerbslosenberatungen kritisiert die Arbeitsweise der Bagis-Widerspruchsstelle und empfiehlt, Einzelfälle vor Gericht klären zu lassen. Die Bagis ist enttäuscht

VON ASCAN DIEFENBACH

Zum Beispiel Heinz K.: Er half über Monate hinweg in einem Seniorenheim aus, las Bewohnern vor. Dafür bekam er eine Entschädigungszahlung, die auf sein Arbeitslosengeld angerechnet wurde. Nachdem er in einem Monat mehr Geld als üblich bekam, wurde ihm nicht nur der überschüssige Betrag auf sein Arbeitslosengeld angerechnet, sondern weitaus mehr. Gegen diesen Beschluss verfasste er gemeinsam mit der Solidarischen Hilfe einen Widerspruch. Man wollte erreichen, dass er wenigstens den üblichen Satz für seine Arbeit bekommt – vergeblich.

Wenn Anträge durch die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) abgelehnt werden, nehmen Betroffene häufig die Hilfe der Aktionsgemeinschaft arbeitsloser BürgerInnen in Bremen (Agab), der Solidarischen Hilfe, des Arbeitslosenzentrums (ALZ) Tenever oder der Arbeitslosen- und Sozialberatung Nord (Also-Nord) in Anspruch. Diese haben sich jetzt mit einem gemeinsamen Schreiben an die Öffentlichkeit gewandt und üben schwere Kritik an der Vorgehensweise der Bagis-Widerspruchsstelle. „Man gibt einen rechtlich fundierten Widerspruch heraus und die Bagis geht gar nicht darauf ein“, sagt Gilljen Theisohn von der Solidarischen Hilfe.

Es sind Einzelschicksale, die auf einem Schriftstück zusammengefasst werden. Meist geht es um Geld – in Worten und in Zahlen. Die Antragsteller haben einen Namen – ansonsten sind sie unbekannt. Da die Bagis nicht alle Anliegen genehmigen kann, bleibt es nicht aus, dass gegen negative Bescheide Widerspruchsschreiben ins Haus flattern. Die Antworten darauf bestünden häufig aus vorgefertigten Textbausteinen und seien keine Auseinandersetzung mit dem Sinngehalt des Widerspruches, eine Eigenprüfung scheine nicht stattzufinden, sagt Gilljen Theisohn. Die Geschäftsführerin der Solidarischen Hilfe, Silke Lieder, unterstützt diese Einschätzung: „Es drängt sich verstärkt der Eindruck auf, dass nicht mit der nötigen Sorgfalt geprüft wird.“

Bei der Senatorin für Soziales sieht man beide Seiten in der Pflicht: „Die Beratungsstellen müssen konkrete Fälle sammeln und gemeinsam mit der Bagis nach einer Lösung suchen“, so Behördensprecherin Petra Kodré. Die Bagis entgegnet den Vorwürfen des Bündnisses mit Enttäuschung. „Wir treffen uns einmal im Quartal mit den Beratungsstellen, um derartige Probleme zu besprechen“, erklärt Pressesprecherin Katrin Kaufmann. Man wundere sich, warum der Weg an die Öffentlichkeit genommen wurde. Sie nimmt die Widerspruchsstelle in Schutz: „Aus unserer Sicht werden die Schreiben ausreichend geprüft und bearbeitet.“

Für Heinz K. bleibt nur der Gang vors Gericht. Dazu Theisohn: „Die Bagis sorgt dafür, dass die erste Entscheidung aufrecht erhalten wird. Möglicherweise um Kosten zu sparen.“

Ihrer Meinung nach könnten teure Gerichtsverfahren durch eingehende Prüfungen seitens der baGis verhindert werden. „Mit einer Entscheidung können wir erst in einem halben Jahr rechnen“, sagt Theisohn weiter, „bei ähnlicher Thematik knickte die Behörde vor Gericht aber schon mehrfach ein.“ Demnach ist ein Rechtstreit in vielen Fällen vermeidbar. „Dennoch wollen wir jetzt die Betroffenen dazu auffordern, vor dem Schritt nicht zurückzuschrecken“, sagt Gitta Barufke von der Agab. Für Empfänger des ALG II entstehen keine Verfahrenskosten.

Rainer Vosteen, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts rechnet im gesamten Jahr 2008 mit mehr Klagen zu ALG II und zur alten Sozialhilfe als im Vorjahr. „Ich kann aber nicht bestätigen, dass das an der Qualität der Bagis-Schreiben liegt“, sagt er. Die Schreiben aus Bremerhaven hätten allerdings häufig einen ausführlicheren Umfang als die der Bremer Widerspruchsstelle.

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