: Wahlerfolg für grünen Exguerillero in Rio de Janeiro
Fernando Gabeira gewinnt erste Runde der brasilianischen Kommunalwahlen. Staatspräsident Lula gestärkt
PORTO ALEGRE taz ■ In Brasilien sind die Kommunalwahlen immer für faustdicke Überraschungen gut. In Rio de Janeiro könnte nun ein grüner Exguerillero Bürgermeister werden: Fernando Gabeira, der der Arbeiterpartei PT von Staatschef Lula da Silva 2003 den Rücken gekehrt hatte, überrundete am Sonntag den evangelikalen Bischof, Senator und Lula-Verbündeten Marcelo Crivella – offenbar dank vieler Stimmen aus dem völlig zersplitterten Lager der Linken. Der 67-jährige Abgeordnete ist notorischer Einzelgänger und unter den brasilianischen Politikern der Paradiesvogel schlechthin.
1969 war Gabeira an der Entführung des US-Botschafters beteiligt. Nachdem das Militärregime 15 politische Gefangene ausgeflogen hatte, kam der Diplomat frei. Gabeira bezahlte die Aktion mit Haft und Folter.
Sein Gegner in der Stichwahl am 26. Oktober gehört der Zentrumspartei PMDB an, die in Brasília Lulas wichtigster Koalitionspartner ist. Aber da die sonst sehr diskreten Grünen auch Teil von Lulas Megakoalition in Brasília sind, wird sich der begehrte Wahlkämpfer Lula am Zuckerhut zurückhalten müssen.
Der Präsident, dem jüngste Umfragen eine Beliebtheit von 80 Prozent bescheinigen, ging gestärkt aus der ersten Runde hervor. PT-Kandidaten siegten in sechs von 15 Hauptstädten der Bundesstaaten. In São Paulo versucht Lulas Parteifreundin Marta Suplicy ein Comeback. Doch gegen den liberalen Amtsinhaber Gilberto Kassab ist die 63-Jährige nur Außenseiterin: Schon jetzt liegt Kassab dank des Rückhalts von Gouverneur José Serra knapp vorn. Der rechte Sozialdemokrat Geraldo Alckmin, der als Präsidentschaftskandidat 2006 – wie Serra vier Jahre zuvor – Lula klar unterlegen war, landete nun in São Paulo abgeschlagen auf Rang drei.
Serra will 2010 erneut bei der Präsidentenwahl antreten und hatte daher seinen Parteifreund und Intimfeind Alckmin im Regen stehen lassen. Da die Verfassung dem Präsidenten eine dritte Amtszeit in Folge versagt, dürfte Serra auf Lulas designierte Nachfolgerin Dilma Rousseff treffen.
Die resolute Präsidialamtsministerin bekam durch das bislang beste Abschneiden der PT bei Kommunalwahlen zusätzlichen Rückenwind: Die Arbeiterpartei stellt künftig in Recife, Fortaleza, Vitória, Palmas, Rio Branco und Porto Velho den Bürgermeister. In Salvador da Bahia und Porto Alegre stehen den PT-Bewerbern in der Stichwahl PMDB-Amtsinhaber gegenüber. Die ungewöhnlich vollen Staatskassen haben bereits jetzt vielen Bürgermeistern die Wiederwahl erleichtert. GERHARD DILGER
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