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Prognose war schuld

Im Wahlbetrugs-Ausschuss entlasten Wirtschaftsforscher Rot-Grün: Binnen zehn Jahren lagen ihre Vorhersagen um 50 Prozent daneben

BERLIN taz ■ Die zweite Sitzung des Untersuchungsausschusses „Wahlbetrug“ brachte etwas Seltenes zustande: Am Ende waren alle Parteien gleichermaßen zufrieden. Diese Leistung vollbrachten fünf Wirtschaftsexperten. Einerseits fühlte sich Rot-Grün als Sieger. Denn alle Experten wiesen einhellig auf die Unsicherheit von Wirtschaftsprognosen hin. Die Institute hätten in den letzten zehn Jahren mit ihren Prognosen im Endeffekt um durchschnittlich 50 Prozent „daneben“ gelegen, sagte Professor Hugo Dicke vom Institut für Weltwirtschaft Kiel.

Auch Korrekturen im Laufe eines Jahres sind häufig. Alle Institute hatten im letzten Jahr ihre anfängliche Konjunkturprognose nach unten korrigiert. Aber nur das Institut für Weltwirtschaft Kiel legte noch vor der Bundestagswahl eine dahin gehende Studie vor. Sie korrigierte das erwartete Wirtschaftswachstum von 1,2 auf 0,4 Prozent und erwartete eine Verschuldung von 3,1 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, knapp über den Maastricht-Kriterien.

Die „Gemeinschaftsdiagnose“ der Institute wurde dagegen erst im Oktober präsentiert. Dann lagen auch erst definitive Steuerschätzungen vor, die von deutlich geringeren Einnahmen ausgingen. Die Vertreter von SPD und Grünen im Ausschuss werteten das als klare Entlastung der Regierung. CDU und FDP sahen das ganz anders. Die schlechteren Rahmenbedingungen für die Wirtschaft seien im Sommer genauso absehbar gewesen wie die geringeren Steuereinnahmen. Den Satz des Tages aber prägte ein Professor: Hugo Dicke sagte: „Mit Wirtschaftsprognosen ist es wie mit Wettervorhersagen. Da weiß man auch erst hinterher, ob die Meteorologen Recht hatten.“ Bleiben wir bei diesem Bild. Dann sagten die Wirtschaftsprognosen im Herbst: Es könnte regnen. Hans Eichel meinte vor der Wahl: Ich gehe davon aus, dass es nicht regnen wird. Die Union kritisiert heute: Er hätte wissen müssen, dass es einen Wolkenbruch gibt. DIETER GLÄSENER

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