piwik no script img

Auslaufmodell passiver Konsument

Auf der „imm cologne – die internationale Möbelmesse“ kamen die wenigen neuen Eindrücke von Außenseitern und Nachwuchsdesignern. Für Letztere ist es angesichts der ökonomischen Flaute allerdings schwer, ihre Ideen zu verwirklichen

von MICHAEL KASISKE

Revival oder Formverzicht gepaart mit einem unbestimmten Bild vom Kunden, darin scheint die Unsicherheit angesichts der allgemein wirtschaftlich trüben Stimmung bei Möbelproduzenten und -handel zu gipfeln. Zum gegenseitigen Schlagabtausch sollte freilich kein Anlass bestehen. Zumindest bleibt die Hoffnung, dass der laue Start der diesjährigen „imm cologne – die internationale Möbelmesse“ und das deutlich schlankere Programm der parallel laufenden „Passagen – Interior Design in Köln“ einmalig bleiben.

Die „Ideal Houses“, zwei stilisierte „Zukunftsszenarien“ des Wohnens, waren allerdings auch wenig weiterführend. Dabei bürgten die beiden von der Messe beauftragten Designer bislang für Qualität. Der New Yorker Star Karim Rashid aus New York entwarf ein konzeptionell und formal den 1960ern entsprungenes „technorganisches“ Gehäuse, in dem High Tech den Bewohner bis zum Messen des Pulsschlags (ver-)folgt.

Sein Kollege Konstantin Grcic aus München behalf sich mit der Metapher vom Haus als persönlicher Speicher und stapelte bekannte Möbelsysteme zu einem Hochregallager, in dem sich der Bewohner auf einer Plattform wie sein eigener Verwalter bewegt. Schöne neue Wohnungen, die entweder zu viel bekannte Retro- oder gar keine Gestaltung mehr aufweisen.

Die neue Ausrichtung der Messe auf Design, die sich auch in der veränderten Namensgebung „imm cologne“ niederschlägt, kam zur Unzeit, da der Absatz nicht mehr so reibungslos vonstatten geht wie einst. Das aktuell eingerichtete „Trendzentrum“, aber auch der erstmals verliehene „Interior Innovation Award Cologne“ sind so lediglich gut gemeinte, im Ergebnis jedoch folgenlose Zeichen.

Die wenigen neuen Eindrücke lieferten Außenseiter und Junge oder kamen von Produzenten, die ihre Linie unbeirrt fortsetzten. Der Verbindung von Handwerk und Kunst entstammen die geometrisch strengen Möbel von Hubert Matthias Sanktjohanser, die durch ihre gleichzeitig kalvinistisch pure und dennoch heitere Ausstrahlung begeistern.

In der Talentbörse „Spin Off“ zeigten junge Designer Arbeiten, die hier zum ersten Mal prototypisch zu sehen sind. Dass von den letzten Messen bekannte Namen wie Sven-Anwar Bibi erneut auftauchten, scheint der Unsicherheit bei der Einführung neuer Produkte geschuldet. Bibis mit Ralf Bender entworfener Tisch oder auch die Steckcontainer „Piú“ von Catharina Lorenz und Steffen Kaz – beide von geformten lackierten Stahlblechen dominiert – wären unter den bisher gewohnten ökonomischen Bedingungen längst in Produktion.

Zu den Produzenten, die konsequent an ihrer Linie festhalten, gehört die Firma Lampert & Sudrow. Die Süddeutschen haben einige Möbel von Egon Eiermann weiterentwickelt und neu aufgelegt. Dazu bringen sie einen Lounge Chair nach einem Entwurf von Herbert Hirche von 1953 neu heraus, womit an einen in Vergessenheit geratenen renommierten Designer der Nachkriegszeit erinnert wird.

Auch an der parallelen Veranstaltung „Passagen“ ging die trübe Stimmung nicht spurlos vorbei. Weil die großen Räume im Rheinauhafen nicht mehr zur Verfügung stehen, waren einige italienische Firmen gleich ganz fern geblieben. Vielleicht herrschte deshalb auf der Party der Mailänder Möbelmesse am zweiten Tag nach der Eröffnung die entspannte Stimmung derjenigen, die nicht in eine ungewisse Sache investiert hatten und sich nunmehr durch die gedrückte Stimmung ihrer deutschen Kollegen bestätigt sahen. Dabei handelte es sich keinesfalls um Schadenfreude, schließlich trifft der Konsumrückgang der Deutschen, die in Europa die höchsten Ausgaben für Interieurs tätigen, die stark vom Export abhängige italienische Möbelproduktion unmittelbar.

Mit großem Aufwand wurde der Badausstatter Dornbracht von Mike Meiré bei fiedler contemporary auf den Passagen in Szene gesetzt. Die mystisch verbrämte Waschröhre namens „E-R-S – Energetic Recovery System“ erwies sich jedoch als ein nicht tragfähiges Konzept, da sie letztlich Kontemplation als automatischen Prozess mit Hilfe von Einrichtungen vorsieht. Dem steht jedoch glücklicherweise die Individualität des Menschen im Wege, alles andere wäre – krass formuliert – Gehirnwäsche.

Das Museum für Angewandte Kunst widmete sich derweil in seiner traditionellen Designausstellung dem Büro „Ettore Sottsass & Associati“. Nachdem der 1917 in Innsbruck geborene Architekt über zwei Jahrzehnte lang den Geräten von Olivetti ein unverwechselbares Gesicht gegeben hatte, gründete er 1981 im Aufwind der Postmoderne dieses Büro. Es arbeitete parallel zu dem ebenfalls von Sottsass initiierten Workshop namens „Memphis“, der farben- und formenfroh den Abgesang auf einen entleerten Funktionalismus feierte.

Als Architekt zeichnet Sottsass wohl komponierte Bilder, an denen er bei der Umsetzung jedoch sklavisch festhält, was nicht unproblematisch ist. Ein Fenster ist schließlich keine Ansammlung von Strichen, sondern besitzt Profile und besteht aus mindestens zwei verschiedenen Materialien. Licht und Schatten wie auch die Texturen wirken daher in der gebauten Realität auf unangenehme Weise artifiziell. Den Bauherren schien einzig wichtig gewesen zu sein, sich in einem „Sottsass“ zu inszenieren, nicht ein auf sie zugeschnittenes Heim zu bewohnen.

Die Hoffnung auf solche passiven Konsumenten, das könnte Resümee dieser Tage in Köln sein, ist allerdings ein Auslaufmodell. Wollen die „imm cologne“ und die parallel laufenden „Passagen“ weiterhin tonangebend bleiben, müssen sie die Bereitschaft der professionell Beteiligten fördern, nicht bloß Möbel zu präsentieren, sondern Berater und Dienstleister für emanzipierte Kunden zu sein.

Ausstellung Sottsass & Associati bis 25. Mai 2003, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule, 50667 Köln, Di.–So. 11–17 Uhr, Mi. 11–20 Uhr, Katalog 25 €. Neuauflagen der Möbel von Egon Eiermann & Herbert Hirche bei Lampert & Sudrow in Berlin bei folgenden Händlern: LINEA Einrichtungs-GmbH, Schönhauser Allee 6–7,10119 Berlin; ADUS, Belziger Straße 36, 10823 Berlin; Odama, Steinstraße 37, 10119 Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen