Größte Friedensdemos aller Zeiten

Rund um den Erdball demonstrieren am Wochenende mehrere Millionen Menschen für den Frieden und gegen einen Krieg im Irak. In Berlin kommen 500.000 zusammen, in London und in Rom mehr als eine Million und in Spanien sogar vier Millionen

BERLIN/LONDON/ROM dpa/ap/rtr/taz ■ Es waren die größten Friedensdemonstrationen, die die Welt an einem einzigen Tag je erlebt hat. Rund neun Millionen Menschen haben am Wochenende auf allen Kontinenten gegen einen drohenden Irakkrieg demonstriert. In Berlin, London und Sydney gab es die größten Friedensdemonstrationen in der Geschichte dieser Städte. In New York und 150 weiteren Städten der USA wandten sich zehntausende gegen die Politik ihres Präsidenten George W. Bush.

Die Kundgebungen übertrafen alle Erwartungen und verliefen meist ohne Zwischenfälle. In Berlin kamen rund 500.000 Menschen zur größten Friedensdemonstration der deutschen Nachkriegsgeschichte. Unter den Teilnehmern waren neben Bundestagspräsident Wolfgang Thierse auch die Bundesminister Renate Künast, Jürgen Trittin sowie Heidemarie Wieczorek-Zeul, die von „einer Abfuhr für all jene“ sprach, „die Krieg als Mittel der Politik einsetzen wollen“. Die Demonstranten verteilten sich über die gesamte Innenstadt von der Gedächtniskirche bis weit hinter das Brandenburger Tor. Zu der Veranstaltung hatte das Aktionsbündnis 15. Februar aufgerufen, dem mehr als 50 Gruppen angehören.

Musikalischen Protest gab es von den Liedermachern Konstantin Wecker, Reinhard Mey und Hannes Wader sowie der Rockgruppe Puhdys. Ver.di-Chef Frank Bsirske sagte, er habe kein Verständnis für Politiker, die eine Beteiligung deutscher Soldaten an einem Angriffskrieg befürworten. „Wir wollen an der Stelle des Rechts des Stärkeren die Stärke des Völkerrechts gesetzt sehen.“ Der Theologe Friedrich Schorlemmer rief zum „präventiven Widerstand“ gegen einen Krieg auf. „Noch ist Zeit – es ist höchste Zeit“, mahnte er. Die palästinensische Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser sagte, Krieg dürfe nicht zur Lösung von Konflikten eingesetzt werden. „Die globalen geostrategischen Kräfteverhältnisse verleiten die Mächtigen, sich als alleinige Besitzer der Weisheit zu sehen“, sagte sie. „Tatort“-Kommissar Peter Sodann erklärte, wer Krieg für die Lösung der Probleme halte, „ist dumm und hat nicht alle Tassen im Schrank“. Auch in anderen deutschen Städten protestierten mehr als 100.000 Menschen gegen einen Krieg.

In Spanien fand der internationale Aktionstag gegen einen Irakkrieg den größten Zuspruch. Fast vier Millionen Spanier zogen unter dem Slogan „No a la guerra“ (Nein zum Krieg) durch die Straßen. Das ganze Land schien sich in eine einzige Friedensbewegung verwandelt zu haben, und die Proteste stürzen Ministerpräsident José María Aznar mit seiner proamerikanischen Linie in die größte Bredouille seiner Amtszeit.

In der Rangliste der Demonstrationen folgen England und Italien. In Rom zogen über eine Million Kriegsgegner in einem mehrere Kilometer langen Protestmarsch durch das Zentrum. Die Organisatoren sprachen sogar von bis zu drei Millionen Teilnehmern. Zur Kundgebung in den Londoner Hydepark strömten nach Schätzungen der Polizei 750.000, nach denen der Veranstalter rund zwei Millionen Menschen.

In Sydney nahmen am Sonntag 200.000 Menschen an einer Friedensdemonstration teil – so viele wie nie zuvor in der Geschichte des Landes.

Die irakische Führung wertete die Demonstrationen als Beleg für eine wachsende Isolierung der USA. Die US-Regierung bekräftigte dagegen am Sonntag, dass dem irakischen Präsidenten „nur noch Wochen, nicht Monate“ Zeit bleibe, um die UN-Abrüstungsbedingungen zu erfüllen. Die USA würden „nicht mehr sehr viel länger warten“, sagte die nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice in einem Fernsehinterview. GB