: Wahn und Vibrator
„Missy“ will die feministische Alternative zu all den herkömmlichen Frauenzeitschriften sein und schafft es immerhin, gut zu unterhalten
VON NINA APIN
Eine „Anmaßung“ sei ihr Heft, schreiben die Herausgeberinnen des neuen Magazins Missy im Editorial. Der gestern erfolgte Hamburger Neuzugang auf dem Zeitschriftenmarkt hat sich nichts Geringeres vorgenommen als die Revolutionierung der Frauenzeitschrift als solche: Ein Magazin von und für Frauen (und Männer) will Missy sein. Jung, popkulturell und schick, mit feministischer Haltung, alle drei Monate frisch.
Hinter Missy steckt die Sehnsucht nach einem intelligenten und gut gemachten Heft aus weiblichem Blickwinkel. Während es im angloamerikanischen Raum mit Bust oder Nylon bereits Vorbilder gibt, sieht es in Deutschland noch düster aus. Hierzulande betrachtet man die weibliche Leserschaft als Marketing-Zielgruppe, die mit einer affirmativ-klebrigen Soße aus Feelgood-Journalismus und Produktwerbung überschüttet wird. Musik- und Lifestyle-Magazine wiederum sind meist stark auf männliche Leser und/oder Autoren ausgerichtet.
Die popkulturell geschulten Herausgeberinnen um die Ex-Intro-Redakteurin Sonja Eismann geben sich weder mit klassischen „Frauenthemen“ noch mit der Gender-Ecke zufrieden. Sie wollen den ganzen Spielplatz: Politik und Mode, Style und Sex, Feminismus und Coolness. Die Leserinnen, so das programmatische Anliegen, sollen das Heft mit dem Gefühl zuklappen können, dass sie „super sind, alles erreichen können und jetzt sofort damit anfangen müssen“.
Feministische Höhenflüge hat die erste Missy-Nummer nicht zu bieten. Auch das Genre Magazin wird auf den knapp 100 ansprechend layouteten Seiten nicht neu erfunden: Natürlich gibt es auch hier die übliche Modestrecke. Und Künstlerinnen wie das lesbische Hiphop-Duo Yo! Majesty! oder die österreichische Soap & Skin werden auch in anderen Feuilletons gefeiert. Doch im Gegensatz zu anderen Magazinen sind hier Geschichten über kreative, politisch aktive oder sonst wie vorbildliche Frauen nicht Ausnahme, sondern Regel.
Der Charme von Missy liegt im Detail: Die Platten-, Buch- und Filmrezensionen befassen sich konsequent mit Produktionen weiblicher Künstlerinnen. Was man eher beiläufig bemerkt – bei der Fülle an täglich auf den Markt geworfenen Medienprodukten aller Sorten ist dies ein legitimer Fokus. Zwischen die Texte gestreut sind Praxistipps zur Selbstermächtigung in guter feministischer Tradition: Eine DJane erklärt, wie man zwei Platten ineinandermixt, eine Kommunikationstrainerin, wie man sich im Gespräch nicht unterbrechen lässt. Und Sonja Eismanns Mutter berichtet im Interview vom Stöckelschuhterror der Fünfzigerjahre. Als Höhepunkt entlarvt Britta-Sängerin Christiane Rösinger das Stillen als Gleichberechtigungskiller. Nicht immer schafft „Missy“ freilich einen eigenen, wirklich souveränen Zugang.
Der Versuch, Frauenzeitschriftenklassiker wie Kochrezept und Dildokauf durch Ironie „cooler“ zu machen, wirkt recht verkrampft. Und Tipps fürs Selbernähen von iPod-Taschen könnte man auch in der Brigitte finden. Froh macht aber, dass sich Missy nicht zu cool für einen Schuss Emma ist. Das zeigen Berichte über Genitalverstümmelung in Afrika oder die verkannte Schriftstellerin Zelda Sayre Fitzgerald, Ehefrau des keineswegs verkannten F. Scott Fitzgerald.
Natürlich kann man Missy vorwerfen, etwas oberflächlich zu sein. Lange Texte, intellektuell Erhellendes oder gar einen Beitrag zur Feminismusdebatte sucht man vergebens. Das Heft begnügt sich lediglich damit, der Popkultur eine weibliche Brille aufzusetzen. Revolutionen löst man damit nicht aus. Für ein unterhaltsames Magazin, das auch Frauen gern lesen, reicht es aber allemal. Angesichts der Zustände im Zeitschriftenregal gar keine schlechte Nachricht.
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