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Haushaltszahlen am Rande der Realität

Rot-Grün verabschiedet ein Steuergesetz, das die Union ablehnen wird. Haushaltsplan 2003 lässt Fragen offen

BERLIN taz ■ Zwei Pyrrhussiege hat Rot-Grün gestern im Bundestag errungen. Zum einen brachte die Mehrheit von SPD und Grünen ihr Gesetz zum Abbau von Steuersubventionen durchs Parlament. Zweitens verabschiedeten die Fraktionen den Haushaltsentwurf 2003 von Bundesfinanzminister Hans Eichel ohne dramatische Änderungen. Die Auswirkung beider Zahlenwerke auf die Realität hält sich jedoch in Grenzen.

Das Steuergesetz wird von der Unionsmehrheit im Bundesrat demächst zum größten Teil abgelehnt werden. Ob die Kürzung der Eigenheimzulage für Häuslebauer, die höhere Steuer auf Dienstwagen oder die Mindeststeuer für Konzerne überhaupt kommen, wird erst die Kompromissbereitschaft der Kontrahenten im Vermittlungsverfahren zwischen Parlament und Länderkammer zeigen.

In jedem Fall hat Rot-Grün damit ein Geldproblem, das auch den Haushalt 2003 betrifft. Das Steuergesetz soll in diesem Jahr rund 3,6 Milliarden Euro bringen – und alles, was die Union nun blockiert, hat ein Loch im Bundeshalt zur Folge. Dietrich Austermann, haushaltspolitischer Sprecher der Union, trommelte denn auch: „Der Bundeshaushalt 2003 steht auf tönernen Füssen.“

Die Ausgaben sollen laut Haushaltsplan in diesem Jahr auf 248,2 Milliarden Euro sinken. 2002 waren es 249,3 Milliarden. Obwohl Rot-Grün die Einnahmen mit 229,3 Milliarden Euro um 5,6 Prozent höher schätzt als im vergangenen Jahr, bleibt ein Finanzierungsdefizit von rechnerisch 18,9 Milliarden Euro. Dieses stellt noch kein großes Problem dar, denn es liegt im Rahmen der erlaubten Staatsverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (Maastricht-Kriterium). Die Union argwöhnt jedoch, dass der Haushalt schöngerechnet sei.

Austermanns Argumente sind nicht aus der Luft gegriffen. Unverständlich ist dem Unionspolitiker zum Beispiel, wie Rot-Grün davon ausgehen könne, keinen Zuschuss mehr an die Bundesanstalt für Arbeit zahlen zu müssen. Schließlich steige die Erwerbslosigkeit stark an. Schon für ihren ersten Abrechnungsmonat in 2003 habe die Bundesanstalt ein Defizit von 460 Millionen Euro ausgewiesen, was sich übers Jahr auf 5,5 Milliarden summiere, rechnet Austermann vor. Auch die Annahmen beim Wachstum seien falsch, ergänzt die Union. Man könne keinen Haushalt auf der Basis von einem Prozent BIP-Steigerung aufstellen, wenn die Konjunkturforscher nur noch die Hälfte annähmen.

Die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Antje Hermenau, kontert, indem sie auf die Erwartungen für das zweite Halbjahr 2003 verweist. „Dann kommt der Umschwung“, so Hermenau. Rot-Grün werde es gelingen, die Sozialbeiträge zu senken, worauf sich konjunkturbelebender Optimismus in der Wirtschaft verbreite.

Die Argumentation der rot-grünen Regierung im vergangenen Jahr war ähnlich. Doch der Aufschwung blieb aus. Ergebnis war, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel das Maastricht-Ziel meilenweit verfehlte.

HANNES KOCH

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