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Krämpfe durch Kaugummis

Zuckerfreie Kaugummis mögen die Zähne schonen, für den Darm sind sie jedoch ein Problem. Wer ständig zu viele Zuckerersatzstoffe isst, bezahlt mit Blähungen, Krämpfen und Durchfall. Auch zum Abnehmen taugt synthetische Süße nicht

Sorbit hat so viele Kalorien wie Zucker, aber beileibe nicht seine Süßkraft

VON MARTINA JANNING

Sie litt monatelang an Durchfall und Unterleibsschmerzen, nahm elf Kilogramm ab. Bis zu zwölfmal am Tag saß die 21-Jährige auf der Toilette und produzierte dabei insgesamt fast zwei Kilogramm Stuhl – etwa das Achtfache dessen, was normal wäre. Ihre Ärzte standen vor einem Rätsel: Sie spiegelten den Darm, röntgten die Frau und untersuchten ihr Blut – ohne Erfolg. Erst eine Analyse der Ernährung brachte die Magen-Darm-Spezialisten der Berliner Charité auf die richtige Spur, die Frage nach dem Konsum zuckerfreier Kaugummis auf die Lösung: Die junge Frau kaute bis zu 20 Stück am Tag. Sie nahm dadurch rund 20 Gramm von dem Zuckeraustauschstoff Sorbit zu sich. Eindeutig zu viel, urteilt Charité-Mediziner Jürgen Bauditz.

Sorbit kurbelt die Verdauung an. Der Darm kann den Stoff nicht aufnehmen, er bleibt im Verdauungstrakt, bindet dort Wasser und verflüssigt damit den Stuhl. Die Folge: Durchfall. Lebensmittel, die mehr als 10 Prozent Sorbit enthalten, müssen daher den Hinweis „Kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“ tragen. Ab 5 Gramm kann Sorbit zu Blähungen führen, ab 20 Gramm zu wässrigen Durchfällen, berichtet Bauditz. Schon ein einzelner Kaugummistreifen enthält oft bereits 1,25 Gramm Sorbit. Eine kritische Dosis ist also schnell erreicht – zumal Sorbit ebenfalls in Früchten vorkommt, und auch die anderen Zuckeraustauschstoffe Xylit, Mannit, Isomalt, Maltit oder Fructose in größeren Mengen abführend wirken.

Wie viel Sorbit ein Mensch verträgt, hängt jedoch nicht nur von der aufgenommenen Menge ab. Wichtig ist auch, wie schnell der Stoff Magen und Darm passiert. „Je kürzer diese sogenannte Transitzeit, desto eher kommt es zu Reaktionen“, sagt die Ernährungsberaterin Ute Körner. „Auf nüchternen Magen haben sorbitreiche Nahrungsmittel eine besonders kurze Transitzeit.“

Für Menschen mit einer Fructose-Intoleranz ist Sorbit sogar quasi Gift, denn der menschliche Körper baut Sorbit wie Fructose ab. Ist der Vorgang gestört, kommt es häufig zu Blähungen, Bauchkrämpfen, Übelkeit oder Durchfällen. Diese Störung ist weiter verbreitet, als mancher denkt: Jeder dritte Europäer leidet an Fructose-Intolerenz, berichtet Fachfrau Körner.

Sorbit und die anderen Zuckeraustauschstoffe wurden einst entwickelt, um Diabetikern eine süße Alternative zu bieten: Der Körper verarbeitet sie so, dass der Blutzucker- und der Insulinspiegel nur gering steigen. Kalorienfrei sind Zuckeraustauschstoffe jedoch nicht, und Diabetiker müssen sie in ihre Brennwertberechnung einbeziehen. Gerade für übergewichtige Diabetiker sind Zuckeraustauschstoffe daher eher von Nachteil, meint Körner. Auch das Bundesinstitut für Risikoforschung rät Zuckerkranken statt zu der künstlichen Süße zu ballaststoffreichem Essen mit viel Obst und Gemüse, um ihren Blutzucker zu normalisieren.

Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit oder Isomalt haben außerdem fast so viele Kalorien wie Zucker, aber nur etwa 60 Prozent der Süßkraft von normalem Haushaltszucker. Das zumindest ist bei Süßstoffen wie Aspartam, Saccharin, Cyclamat oder Acesulfat anders. Diese synthetischen Stoffe werden anstelle von Zucker zum Süßen von Lebensmitteln benutzt. Sie können bis zu 3.000-mal so süß wie Zucker sein, besitzen keine einzige Kalorie, und abführend wirken sie auch nicht. Gute Gründe, um zu Lebensmitteln mit Süßstoffen zu greifen, denken sich vor allem Menschen, die abnehmen wollen. Aktuelle Studien trüben jedoch die Hoffnung auf ein Gewichtsabnahme durch Süßstoff, denn US-Forscher gehen davon aus, dass es den Körper verwirrt, wenn etwas süß schmeckt, aber kaum Kalorien hat. Er baut die Nahrung dann weniger effektiv ab und verlangt insgesamt nach mehr Essen.

Das schließen die Wissenschaftler der Purdue-Universität in West Lafayette aus Experimenten mit Ratten. Die Nager, die Süßstoff bekamen, fraßen größere Mengen kalorienreicher Nahrung und legten mehr an Gewicht zu als die Vergleichsgruppe. Ihre Körpertemperatur ließ zudem darauf schließen, dass sie schlechter verdauten als ihre Artgenossen. US-Studien untermauern den Masteffekt durch Süßstoffe: Seit es Diätgetränke gibt, ist die Zahl der Fettleibigen deutlich gestiegen, und Forscher beobachten, dass Liebhaber künstlich gesüßter Limonaden eher Bauchfett, Bluthochdruck und Diabetes entwickeln.

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