WOLFGANG SCHÄUBLE IST ALS BUNDESPRÄSIDENT UNTRAGBAR: Der Unversöhnliche
Es gibt gute Argumente für einen Bundespräsidenten Wolfgang Schäuble. Der Mann ist klug, er kann reden und hat Erfahrung als Minister und Parteichef. Seine innen- und außenpolitische Kompetenz ist unbestritten. Schäuble besitzt ganz zweifellos die intellektuellen Fähigkeiten, um gesellschaftliche Debatten anzustoßen. Und seine Wahl zum Präsidenten hätte einen begrüßenswerten Nebeneffekt. Sie würde beweisen, dass man als Rollstuhlfahrer bis ins höchste Staatsamt gelangen kann. Davon ginge ein Signal aus, das noch so viele Förderungsmaßnahmen und Gleichstellungsgesetze für Behinderte niemals bewirken können. All das spricht für Schäuble. Das ist nicht wenig – aber nicht genug. Die Gegenargumente überwiegen.
Schäuble fehlt eine, vielleicht die entscheidende Eigenschaft, die ein Präsident mitbringen muss, wenn er denn das ganze Land repräsentieren möchte: Die Kraft zur Mäßigung und zum Ausgleich. Schäuble ist kein Politiker, der versöhnt, sondern einer, der spaltet. Wirklich problematisch ist dabei vor allem Schäubles Neigung, Migranten auszugrenzen, also mehr als sieben Millionen Menschen, die in diesem Land leben. Ohne jede Hemmung unterstützte Schäuble gestern in Wildbad Kreuth das Vorhaben der CSU, den Widerstand gegen den EU-Beitritt der Türkei zum Europawahlkampfthema zu machen. „Verantwortungsvoll“ und „ohne Fremdenfeindlichkeit“ natürlich. Doch wer die Türkei kategorisch für europaungeeignet erklärt, erklärt damit auch die türkischen Migranten für deutschlandungeeignet. Wer bei einer solchen Heuchelei mitmacht, hat sich erneut als Spalter profiliert – und als Präsidentschaftskandidat disqualifiziert.
Ein Präsident, der kein Gefühl für sieben Millionen BürgerInnen mitbringt, ist untragbar und gefährlich. Nun mag man sagen, jeder Mensch kann sich doch ändern, warum nicht Schäuble? Die Antwort ist: Er scheint gar keine Lust darauf zu haben. Er liebt die scharfe Auseinandersetzung wohl zu sehr. Gut möglich, dass er gar nicht Präsident werden möchte. Vielleicht lässt er die Debatte, in der sein Name immer wieder fällt, nur deshalb laufen, weil die Lobeshymnen seinem Ego schmeicheln.
LUKAS WALLRAFF
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