piwik no script img

kündigungsschutzAbfindung statt Sozialplan

Auch ein Streit um Symbole kann zu sinnvollen Lösungen führen. Der jetzt aus dem Wirtschaftsministerium durchgesickerte Plan zum Kündigungsschutz hat das Zeug dazu. Denn er könnte eine vielfach verhakte Diskussion neu eröffnen und dabei sogar für beide Seiten hilfreiche oder zumindest tragbare Ergebnisse bringen.

Kommentar von CHRISTIAN RATH

Für die Arbeitgeber ist der Kündigungsschutz eine „Beschäftigungsbremse“, die sie psychologisch daran hindert, neues Personal einzustellen. Für die Gewerkschaften geht es um eine schwer erkämpfte Errungenschaft der Arbeiterbewegung. Dabei verführt jedoch schon das Wort zu falschen Schlüssen. Absoluten Kündigungsschutz hat es in der freien Wirtschaft noch nie gegeben. Arbeitnehmer sind eben keine Beamte.

Auch das geltende Arbeitsrecht schützt nur vor willkürlichen Entlassungen. Zulässig sind Kündigungen, wenn sie persönlich bedingt sind (Krankheit, Unfähigkeit des Arbeitnehmers), wenn sie im Verhalten des Arbeitnehmers liegen (Faulheit, Unpünktlichkeit, Kriminalität) oder aus betriebsbedingten Gründen (Umsatzrückgang, Produktionsumstellung) ausgesprochen werden. Nur bei Letzteren schützt bisher eine Sozialauswahl vor allem Eltern und Ältere.

Die meisten Kündigungen erfolgen heute betriebsbedingt. Die Richter können dabei Unternehmensentscheidungen und die Sozialauswahl nur grob kontrollieren. Und nur wenn die Richter Fehler finden, kann der Arbeitnehmer statt der Wiedereinstellung – die meist beide Seiten nicht mehr wollen – eine Abfindung verlangen.

Das neue Schutzkonzept, das bei betriebs- und krankheitsbedingten Kündigungen stets eine Abfindung verspricht, ist eine echte Alternative hierzu. Unternehmer hätten so schneller Rechtssicherheit und weniger Aufwand. Bei einer Kündigung erhielten Arbeitnehmer viel häufiger als bisher eine Abfindung. Jetzt kommt es auf die Details an. Die Abfindungen müssen so hoch sein, dass sie für das Unternehmen eine spürbare Hemmschwelle darstellen. Und sie müssen – als Ersatz für die alte Sozialauswahl – nach sozialen Kriterien gestaffelt sein.

Keinen Einfluss hat der Gesetzgeber aber auf das Verhalten der Arbeitgeber nach einer derartigen Reform. Wenn sie künftig verstärkt wegen – abfindungsfreier – Vorwüfen wie Faulheit kündigen, wäre alles wieder beim Alten: Prozesse, Aufwand, Rechtsunsicherheit. Dafür wären die Arbeitgeber dann aber wirklich selbst verantwortlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen