: Neue Ufer ohne Beton
Schleswig-Holstein stellt den bundesweit ersten Gewässerschutzbericht vor: Fast alle Flüsse und Seen sind in ökologisch bedenklichem Zustand. Bis 2015 soll der Naturschutz mit Investitionen von 688 Millionen Euro nachhaltig verbessert werden
kiel/hamburg lno/taz ■ Fast alle Flüsse und Seen in Schleswig-Holstein sind aus EU-Sicht in einem ökologisch bedenklichen Zustand. „Zurzeit entsprechen nur etwa ein Prozent der Flüsse und vier von 65 Seen den europäischen Kriterien“, sagte der grüne Umweltminister Klaus Müller gestern in Kiel bei der Vorstellung des Berichts über Gewässerschutz in Schleswig-Holstein. „Auf zu neuen Ufern“ ist der bundesweit erste Gewässerschutzbericht eines Landes.
Ziel sei es, bis 2015 jeden fünften Fluss und Bach sowie mehr als die Hälfte der Seen in einen natürlichen Zustand zu versetzen, und dort wieder mehr Tiere und Pflanzen anzusiedeln. Küstengewässer und Grundwasser könnten bis dahin fast vollständig renaturiert werden. Dafür seien Investitionen von 688 Millionen Euro aus EU-, Bundes- und Landesmitteln nötig.
Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verpflichtet die Länder der Gemeinschaft, alle Seen, Fließgewässer, Meeresküsten und das Grundwasser bis zum Jahre 2015 in einen guten chemischen und ökologischen Zustand zu versetzen. Hauptproblem bei den Fließgewässern ist Müller zufolge weniger die Wasserqualität als Baumaßnahmen der Vergangenheit. Um für die Landwirte Anbaufläche zu gewinnen, seien viele Flüsse begradigt, vertieft, reguliert oder verrohrt worden. „Wenn links Beton, rechts Beton und noch Beton oben drauf ist, entspricht das eben nicht den Zielen der Richtlinie“, sagte der Minister. Als Beispiel für eine erfolgreiche Regeneration nannte Müller die Papenau in der Holsteiner Geest.
Bei Seen, Küstengewässern und Grundwasser sei vor allem der überhöhte Algenwuchs (Eutrophierung) etwa durch Abwässer und einlaufende Düngemittel problematisch. In Zusammenarbeit mit den Wasser- und Bodenverbänden, Naturschützern sowie den betroffenen Landwirten, Fischern und Kommunen sollen in den kommenden Jahren entsprechende Gegenmaßnahmen umgesetzt werden. Das könnten beispielsweise der Abbau von Stauanlagen oder die Verbreiterung der Ufer sein. Bereits für den nun vorgelegten Bericht wurden 34 Arbeitsgruppen unter Leitung der Wasser- und Bodenverbände gebildet. Dieses bundesweit einzigartige Beteiligungsmodell sei „ein etwas zeitintensives aber lohnendes Unterfangen“, so Müller. Es habe sich „hervorragend bewährt“.
Deren Landesverband sieht in der Kooperation ebenfalls Vorteile für alle Seiten. Ob so wie erhofft die drohenden Konflikte zwischen dem Land und den Bauern, die etwa Land für breitere Uferränder abgeben sollen, minimiert werden können, bleibe aber unsicher. „Das wird sich zeigen, wenn es um die konkrete Umsetzung geht“, sagte Verbandschef Hans-Adolf Boie. Die rot-grüne Regierung habe aber zugesagt, rein ökologische Maßnahmen komplett zu bezahlen.
Auch der umweltpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Detlef Matthiessen, sieht zum Dialog keine Alternative: „Die Einbindung der Verbände hat sich bewährt.“ Ebenso wie die kürzlich getroffene Naturschutz-Rahmenvereinbarung mit dem Verband der privaten Waldbesitzer sei der Gewässerschutz ein vorbildliches Beispiel für konstruktive Zusammenarbeit zum Zwecke des „flächenhaften Natur- und Umweltschutzes“.
Laut Müller bleibt von den 688 Millionen Euro Gesamtvolumen voraussichtlich ein Drittel am Land hängen, das vollständig aus den Wasserabgaben finanziert werden kann. Sanktionen der EU bei Nichterreichung der Ziele bis 2015 werde es laut Müller nicht geben, so lange wie im Fall Schleswig-Holstein die Anstrengungen erkennbar seien. Das Land hatte im Juni vergangenen Jahres sein Landeswassergesetz den europäischen Vorgaben angepasst. „Damit setzen wir bundesweit Maßstäbe“, freute sich Müller. sven-michael veit
Die elfseitige Informationsbroschüre „Auf zu neuen Ufern“ ist zu finden unter www.landesregierung.schleswig-holstein.de/Ministerium für Umwelt
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