piwik no script img

Der Mann hinter dem Würfel

Heute wird die Temporäre Kunsthalle am Schlossplatz eröffnet. Möglich wurde das durch Dieter Rosenkranz, der das Geld gab. Wer ist dieser kunstbegeisterte 82-Jährige?

Wenn heute auf dem Schlossplatz die Temporäre Kunsthalle ihre Tore öffnet, ist dies ein Sieg des Machbaren. Die Politiker entschieden sich im vergangenen Herbst auch deshalb für diesen prosaischen Würfel des Wiener Architekten Adolf Krischanitz, weil er praktisch vorfinanziert war. Die für den Bau notwendigen 950.000 Euro stellten Dieter Rosenkranz und seine Stiftung „Zukunft Berlin“ bereit.

Über Rosenkranz kursieren in der Berliner Öffentlichkeit mehr Vermutungen als Informationen. Dass einige Berliner Museen bedeutende Leihgaben aus seiner Sammlung zeigen, wissen nur Kenner. Interviews gibt er kaum. Sein Vermögen soll er mit Maschinenbau in Wuppertal gemacht haben. Was zum Teufel treibt also einen Wuppertaler Maschinenbaufabrikanten dazu, der Stadt Berlin für zwei Jahre eine Kunsthalle zu schenken?

„Aber ich bin doch in Berlin geboren“, berichtigt Rosenkranz, „Ende 1925 in Zehlendorf. Als ich vier war, geriet mein Vater in wirtschaftliche Schwierigkeiten und unsere Familie musste nach Wuppertal umziehen. Doch Berlin blieb als schöne Erinnerung bei uns.“

Als Dieter Rosenkranz um die Jahrtausendwende die Leitung seines Unternehmens abgegeben hatte, wurde Berlin attraktiv als Lebensort. Zusammen mit seiner Frau Si, die die inspirierende Atmosphäre Berlins ebenso schätzt wie er, zog er 2002 hierher. Nicht zuletzt der Kunst wegen, denn seit seiner Studentenzeit ist er nicht nur ein interessierter Betrachter, sondern auch ein Sammler.

Im Winter 2005 stapfte das Paar begeistert durch die Ausstellung, mit der Konstanze Kleiner und Coco Kühn im Palast der Republik eine großartige Vision von einer Berliner Kunsthalle vorstellten. „Der weiße Raum war eiskalt“, schwärmt Rosenkranz, „aber uns wurde ganz warm von der Energie der beiden Frauen, die das veranstaltet hatten. Da wurde mir klar: genau das ist’s, was uns hier fehlt. Ein Ort, an dem sich die junge Berliner Kunst präsentieren kann.“

Als sei 82 ein Alter wie jedes andere, erhebt sich der hochgewachsene Vater von fünf erwachsenen Kindern vom Schreibtisch in den Räumen seiner Stiftung in Berlin-Tiergarten. Er steht vor einem großen Gemälde von Erik Bulatov – Schienen, die ins Weite führen. Langsam und leicht vornübergebeugt strebt er zu einem Konferenzraum voll früher Christo-Gemälde. „Selbstwirksamkeitserfahrung“ nennt Dieter Rosenkranz das, was ein Künstler verspürt: „wenn sich dort, wo eben noch nichts war, plötzlich ein Kunstwerk befindet“. Er kennt dieses Gefühl. „Jetzt wird die Temporäre Kunsthalle selbst zum Kunstwerk, mit ihren wechselnd bemalten, angestrahlten Außenflächen. Ein Kunstwerk mit 140 Meter Umfang. Das ist riesig!“, ruft Rosenkranz und seine mittelmeerblauen Augen strahlen mit dem gleichfarbigen Oberhemd um die Wette: „Das hat der Architekt Krischanitz geschafft, indem er sich selbst zurücknahm.“

Geprägt hat die Rosenkranz’- sche Jugend neben einem Studium des Maschinenbaus noch ein Studium Generale. „Dabei wurde ich mit Piet Mondrian konfrontiert“, erzählt er, „und da habe ich realisiert, was mir als Kind in der Nazizeit alles entgangen ist. Kunst ist Freiheit. Wenn man sich mit hoher Qualität umgibt, intensiviert sich das Denken und weitet sich der Horizont.“

In Bezug auf den Standort Berlin ist sein Sammleroptimismus ungebremst: „Ich sehe die Zukunft von Berlin nicht mehr in der Industrie, sondern in Kultur, Kunst und Wissenschaft. Mit etwa 5.000 Künstlern haben wir jetzt die kritische Masse erreicht, wo Quantität in Qualität umschlägt, weil sie ständig miteinander wetteifern. Berlin ist jetzt die Nummer eins. Aber wichtige hiesige Künstler sind immer noch zu wenig ausgestellt. Dabei führt uns jemand wie Olaffur Eliasson, der sich mit moderner Physik auseinandersetzt, bis an die Grenzen unserer Welt.“ So weit würde Dieter Rosenkranz gern auch mit der Temporären Kunsthalle gehen. Vorerst begnügt er sich mit Verhandlungen über ein künftiges Gastspiel des Gebäudes in Moskau, sobald es seinen jetzigen Platz räumen muss, nach Baubeginn des Schlosses. „Natürlich akzeptiere ich die Entscheidung. Ohnehin braucht Berlin eine feste staatliche Halle für seine Künstler. Aber was das Schloss betrifft“, zwinkert er, „wir sind doch keine Monarchisten mehr, nicht wahr?“

BARBARA KERNECK

Eröffnung heute 17.30 Uhr, ab 30. Oktober tägl. 11–18 Uhr geöffnet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen