: berliner szenen Hunde und Kinder
Im Familienbetrieb II
Meine Chefin jammert gerne mal: „Im nächsten Leben lieber sieben Hunde, aber keine Kinder mehr!“ Das finde ich völlig unverständlich, denn ihre beiden Jungen machen einen netten Eindruck. Ja ja, die Pubertät und in die Schule gehen wollen sie auch nicht. Aber immerhin kleben sie nicht so an ihrer Mutter wie die Hunde. Meine Chefin bringt die Tiere ganze Tage mit ins Büro, was sie mit ihren Söhnen noch nie gemacht hat. Der große Hund heißt Isolde, ist ein Bull-Mastiff und sabbert. Am liebsten verbringt er seine Stunden auf dem Damenklo (Isolde ist eben eine Dame) und wickelt sich da um die Kloschüssel. So liegt sie am Boden und erinnert mich täglich, wenn ich aufs Örtchen will, daran, dass ich mal von einer Band namens „Klofußumpuschelung“ gehört habe. Nun gehe ich aufs Männerklo, denn Isolde gibt ihre Stellung als Klofußumpuschelung nicht auf. Und über ihr hockend möchte ich mein Geschäft auch nicht verrichten.
Die kleine Pinky ist irgendein Terrier. Sie hängt an ihrem Frauchen schlimmer als ein Baby. Sie winselt, sobald meine Chefin das Büro verlässt. Dann kratzt sie an der Tür und heult so erbärmlich, dass wir uns Ohrstopfen besorgt haben, denn so kann ja kein Mensch arbeiten. Und sie pinkelt auf den Büroteppich, wenn die Chefin längere Zeit nicht zurückkommt. Können zwei pubertierende Söhne wirklich schlimmer sein? Ich habe den Verdacht, meine Chefin nimmt ihren Kindern bloß übel, dass sie groß werden. Sie hätte sie gern auf ewig so anhänglich wie die Hunde, völlig auf Mama fixiert. Gestern lief am Klofenster jemand mit einem Bull-Mastiff vorbei. Isolde ist seitdem auf und davon. Unsere Chefin war voller Trauer, aber dann freute sie sich, als ihre Söhne sie von der Arbeit abholten.
ANNETTE SCHWARZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen