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MATTHIAS URBACH über DER PERFEKTE KAUFSparpreis – zur Buchung – ausverkauft

Bahnfahren ist sowieso prima. Und noch viel besser, seit man online buchen kann. Wenn man die Nerven behält

Die Bahn feiert zehn Jahre Privatisierung, und ich muss es einfach mal loswerden: Ich liebe Bahnfahren. Besonders seit ich Tickets online kaufen kann. Wenn der Fahrschein aus meinem Tintenstrahler herausrobbt, fühle ich mich allmächtig wie ein Fälscher mit einem Bündel perfekter 50-Euro-Blüten in der Tasche.

Wer online bucht, ist bei der Bahn König. Mit der E-Mail-Bestätigung der Buchung erhält seine Hoheit eine 0180-Telefonnummer, über die er für faire 12 Cent die Minute umbuchen kann. Normale Telefonbucher dagegen zahlen 25 Cent für die ersten 15 Sekunden und 36 Cent jede weiteren 15 Sekunden. Schon der Unwille, auszurechnen, was das pro Minute kostet, hindert mich am Wählen der 11861. Warum kostet es überhaupt etwas? Steigen die Heizkosten, wenn sich weniger als 100 Leute im Reisecenter drängeln?

Jedenfalls machen jetzt sogar Sparpreise Sinn. Denn: Drei Tage vor Abreise extra zum Bahnhof pilgern und vorm Schalter schmoren? Das war unzumutbar – zuweilen dauerte der Kauf der Billigtickets länger als die Reise. Ganz anders Onlinebuchen. In wenigen Minuten, von zu Hause, entspannt.

Soweit die Theorie. Doch kein Computer, der was auf sich hält, tut immer, was er soll. Zum Beispiel Reservierungen: Die Kleinkindabteile will der Bahnrechner einfach nicht kennen. Und Kollege Tim schwört, alles versucht zu haben, um zwei Sitzplätze nebeneinander zu reservieren, aber entweder bekam er zwei Gangplätze oder zwei Fensterplätze. Immerhin springt die Bahn-Hotline in solchen Fällen freundlich in die Bresche.

Dann kommt dieser Mittwochabend. Die Kinder sind im Bett, ein wenig Kraft ist geschöpft, so setze ich mich 18 Minuten vor zwölf vorn Rechner und tippe unsere Wunschverbindung fürs Wochenende ein. Am Samstag sehr früh los nach Hamburg, am späten Sonntagnachmittag zurück, damit unser kleiner Sohn ausgeschlafen die Rückreise antreten kann.

Viertel vor zwölf. Die Bahn schlägt mir einen Sparpreis für die Rückfahrt im 15:49er-Zug vor – ich klicke freudig, doch der Link „Zur Buchung“ führt nur zum Hinweis, der Sparpreis sei ausgebucht. Ich verlege die Rückfahrt um eine Stunde nach vorn. Das System bietet mir im neuen Fenster die Sparpreise „25“ und „50“ zur Auswahl, beide leuchten grün – das heißt verfügbar. Ich nehme Sparpreis 50.

Rückmeldung: Ausverkauft.

Elf Minuten vor zwölf. Ich hole mit bei meiner Frau das Okay für die beiden nächstfrüheren Züge. „Der Kleine kann ja auch hinterher mittagschlafen.“ Kein Erfolg.

Fünf vor zwölf. Endlich, ein Zug im Morgengrauen ist frei. Rasch scrolle ich durch meine bei der Bahn gespeicherten persönlichen Daten, tippe die Kontrollziffern meiner Kreditkarte ins Feld – und sende ab.

Zwei Minuten vor zwölf. Bahn-Online überlegt eine Minute, um mir dann mitzuteilen, das gewünschte Ticket sei nicht verfügbar. Hektisch klicke ich zurück zur Zugübersicht. Als ich aber eine andere Verbindung anwähle, erscheint der lapidare Hinweis, dass die Sparpreise nicht mehr buchbar seien: Es ist drei nach zwölf, die Dreitagefrist ist abgelaufen.

Unsere Tickets, eben noch für knapp 50 Euro zu haben, kosten jetzt 100. Mir wird schummrig wie nach fünf Stunden Sommerstau im Fiat Cinquecento.

Früh am Morgen wache ich übellaunig auf. „Ich will meinen Sparpreis!“ Um 7.30 Uhr bin ich der Erste bei der Hotline: Am anderen Ende lauscht ein freundlicher Herr meinem Kummer.

„Manche Buchungen zwischen 23 und 0 Uhr nimmt der Computer nicht mehr – das Problem ist bekannt.“

„Könnte ich dann doch noch den Sparpreis …?“

„Würde ich ja gern, aber wir kommen da leider selber nicht mehr ran.“

Auch die Bahn also nur Opfer der Technik? Als König Kunde sollte ich pöbeln, toben, den Vorgesetzten verlangen – aber der Hotliner ist so nett! So verständnisvoll. Ich füge mich.

Tags darauf fängt sich meine Frau die Grippe, wir müssen den Besuch in Hamburg abblasen. Alles macht wieder Sinn. Ich fühle mich auf einmal prächtig wie Zeus beim Blitzeschleudern und buche Tickets für meine Frankfurttour die Woche drauf. Diesmal klappt alles.

Fazit: Versuche niemals einen Sparpreis last minute zu buchen. Ansonsten sind Tickets bei www.bahn.de nämlich wirklich der perfekte Kauf.

Gute Erfahrungen mit der Bahn? kolumne@taz.de Morgen: Bernhard Pötter über KINDER

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