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Vertrauen schwindet rapide

Wegen mangelnder Zahlungsmoral ist Coast, die neue Mannschaft des gesperrten Radprofis Jan Ullrich, nun selbst gesperrt. Nur ein Missverständnis, hofft der Clan des einstigen Toursiegers

von SEBASTIAN MOLL

Während der Tour de France, so Lance Armstrong, verordne er sich eine strenge Internet- und Zeitungsabstinenz. Denn sonst, sagt der bekennende Nachrichten-Junkie, würde er nächtelang die einschlägigen Radsport-Websites studieren. Nun ist es noch weit bis zur Tour de France, und bei der Murcia-Rundfahrt, die Armstrong derzeit bestreitet, kann er auch einmal verschlafen an den Start gehen. Gestern Morgen wird sich Armstrong jedoch trotz durchsurfter Nacht erfrischt auf sein teures Kohlefaserrad geschwungen haben. Überall war zu lesen, dass die Mannschaft seines potenziellen Hauptkonkurrenten um künftige Tour-de-France-Siege, Jan Ullrich, wegen säumiger Gehaltszahlungen vom Radsportverband UCI für das nächste Rennen, die Fernfahrt Paris–Nizza, gesperrt worden ist. Eine Teilnahme Ullrichs an der Tour ist gefährdet.

Schon im Dezember hatte Armstrong seinem Gegner öffentlich geraten, sich seine neue Mannschaft nicht unter finanziellen Gesichtspunkten auszusuchen, sondern unter sportlichen. Doch Ullrichs Manager Wolfgang Strohband hatte bis zum Letzten gepokert und von der Mannschaft des Essener Modeladenbesitzers Günther Dahms, dem Team Coast, mit rund fünf Millionen Euro das höchste Gebot erhalten. Die Entscheidung für Coast könnte sich sportlich nun als fatal herausstellen. Es mehren sich die Zeichen, dass Dahms finanziell der Atem ausgeht, eine Radsportequipe der ersten Kategorie zu unterhalten.

Dahms ist Besitzer von 18 Jeansläden, die zusammen einen Umsatz von etwa 50 Millionen Euro abwerfen. Das Radsportengagement kostet Dahms nach Schätzungen etwa 8 bis 10 Millionen im Jahr. Das kann nicht lange gut gehen, und so hofft der Essener, seit er vor rund zwei Jahren mit dem Team den Weg in die erste Klasse des Radsports gegangen ist, auf Entlastung durch einen potenten Kosponsor. Doch der blieb bislang aus. Auch die Verpflichtung von Jan Ullrich brachte Dahms auf der Suche nach einem werbewilligen Partner nicht weiter. Bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage und dem angekratzten Image sowohl von Jan Ullrich als auch seines Sports stehen die Firmen nicht gerade Schlange.

Rudy Pevenage, der Jan Ullrich als Betreuer vom Team Telekom zum Team Coast gefolgt ist, war bis vor kurzem dennoch optimistisch: „Wenn Jan wieder Rennen fährt und die Tour de France vor der Tür steht, dann kommen auch die Kosponsoren. Wir müssen nur durchhalten“, sagte der studierte Betriebswirt aus Belgien noch vor rund einer Woche. Nachdem Coast nun jedoch von der UCI einen deutlichen Warnschuss vor den Bug bekam, wurde selbst der optimistische Belgier skeptisch: „Das Vertrauen ist erst einmal weg.“ Anscheinend ist es um das Vertrauen in Herrn Dahms’ radsportliche Abenteuer selbst im eigenen Haus nicht mehr zum Besten bestellt. „Herr Dahms sagt, er kann die komplette Saison auch ohne einen Kosponsor durchhalten. Ich kann das nur zitieren“, sagte Marcel Wüst, der Exprofi, der bei Dahms als Teammanager und Pressemann in Lohn und Brot steht.

Wolfgang Strohband will Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung für Coast trotz allem noch nicht zugeben. Allerdings sieht auch Strohband das Vertrauen in Dahms beschädigt: „So falsch ist das nicht, was Pevenage da sagt.“ Ob Ullrich von Coast seine ersten zwei Monatsgehälter erhalten habe, wollte Strohband weder bestätigen noch dementieren.

Allerdings gab Strohband zu, dass die Verträge zwischen Ullrich und Coast noch nicht zur Vorlage beim Verband bereit seien. Es gelte noch Versicherungsfragen zu klären. Die Verzögerung des Abschlusses könnte jedoch auch andere Gründe haben: Bei Verträgen in solcher Höhe muss ein Team dem Verband gegenüber deutlich höhere Bürgschaften erbringen. Angesichts der immer offenkundigeren Finanzschwierigkeiten von Coast liegt es nahe, dass Dahms die Vorlage des Vertrages hinauszögert, weil er Schwierigkeiten hat, Bürgen zu finden.

Nachdem man ein Jahr aus dem Rennen gewesen sei, sagte Lance Armstrong kürzlich, müsse man sich als Athlet eine Situation suchen, die physisch, mental und von der Partnerschaft her die beste sei. Auch wenn man dabei keinen Heller verdiene. Ob die wackelige Coast-Konstellation für den ohnehin labilen Herrn Ullrich eine solche Situation darstellt, darf man getrost bezweifeln.

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