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Eine Elbinsel mit Autobahn

Neuer Streit um die Wilhelmsburger Reichsstraße und die Planungen für eine Hafenquerspange. Aufwertung der Trasse zur Autobahn stößt auf Ablehnung im Stadtteil. Noch mehr Lärm befürchtet

VON ANGELA DIETZ

In der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) laufen die Planungen zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße (B 4 / 75) an die westliche Seite der Bahntrassen auf Hochtouren. Bisher traf das auf Sympathie im 50.000 Einwohner zählenden Stadtteil Wilhelmsburg, durch den gleich mehrere Verkehrsachsen inklusive sämtlicher Bahnverbindungen nach Süden ihre Schneisen schlagen. Auch die neue Mitte, ein Konzept der Internationalen Bauaustellung (IBA) und der Gartenschau-Park (igs) 2013 schienen so in günstigerem Licht.

Doch jetzt brachte ein Scoping-Papier zur Umweltverträglichkeit ans Tageslicht, dass die von der grünen Senatorin Anja Hajduk geführte BSU aus der Bundesstraße im Zuge der Verlegung eine Autobahn machen will. Aus der BSU hieß es auf Nachfrage: „Ja, wir planen eine Autobahn.“ Diese soll jedoch in etwa einer vierspurigen Kraftfahrstraße gleichen.

Die heutige vierspurige B 4 / 75 verbindet die Hamburger Innenstadt mit dem südlich von Wilhelmsburg gelegenen Harburg. Insgesamt liegen drei Anschlussstellen auf der Elbinsel Wilhelmsburg: im Norden zur A 252, im Süden zur A 253, eine weitere mitten im Stadtteil neben dem Ortsamt Wilhelmsburg. Für die 4,8 Kilometer lange Autobahn müsste der mittlere Anschluss von der Mengestraße weiter nördlich in das Gewerbegebiet an Rotenhäuser Straße und Rubbertstraße verlegt werden.

Aufgeschreckt durch die Autobahnpläne fordert der Verein Zukunft Elbinsel endlich ein Gesamtverkehrskonzept für den Stadtteil. Darin müsste auch der überregionalem Verkehr sowie der Hafen- und Hafenhinterlandverkehr eingeschlossen sein. „Bis heute gibt es keine Verkehrszahlen“, moniert Manuel Humburg von Zukunft Elbinsel eine fehlende Diagnose.

Der Verein, der sich seit Jahren mit den Verkehrsproblemen auf der Elbinsel auseinandersetzt, kritisiert die bisherigen Planungen zur Hafenquerspange, auch wenn noch wegen der immensen Kosten noch keine umgesetzt worden ist. Jede aber würde nach der Realisierung den Stadtteil mehr oder minder stark belasten. Die Querspange soll die beiden Autobahnen A 7 und A 1 auf einer Trasse durch den Hafen verbinden. Zurzeit sind zwei Ost-West-Verbindungen im Gespräch.

Die Verlegung der Reichsstraße nach Osten und ihre Aufwertung zur Autobahn sieht Zukunft Elbinsel im Zusammenhang mit diesen Trassenplanungen zur Hafenquerspange, da sie noch im Januar in einer Senatsdrucksache als Diagonaltrasse Ost auftauchte. Genau diese sei aber, erinnert Humburg, bereits 1999 vom damaligen rot-grünen Senat schon einmal abgelehnt worden, wegen der hohen Lärmbelastung. Denn die Lärmprobleme an einer gemeinsamen Streckenführung von Bahn und Reichsstraße, fürchtet der Verein, seien nicht in den Griff zu kriegen.

Damals wie heute sind Wohnhäuser, die nur 50 bis 200 Meter von der Bahntrasse entfernt stehen, mit bis zu 70 Dezibel belastet. Kommt die Straße hinzu, die in diesen Bereichen teilweise bis zu sieben Meter über das Gelände geführt werden müsste, könnte nur eine „zehn Meter hohe, konkave Betonwand wie auf der Veddel“ Abhilfe schaffen. „Wir wollen keine Autobahn“, sagt Humburg. Der wahre Grund für diesen Plan sei, mutmaßt er, dass sich die Stadt davon einen entsprechend höhere finanzielle Beteiligung des Bundes an den Baukosten verspreche.

Inzwischen plädiert der Verein für einen vollständigen Rückbau der Reichsstraße. Auch IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg favorisierte diese Variante in der Vergangenheit. Verworfen wurde sie inzwischen wegen der Kosten für die notwendigen weiteren Trassen. Doch wohin soll der Verkehr ausweichen?

Die Mitglieder von Zukunft Elbinsel halten ihre Ringlösung „Hafennetz“, bei der als einzige Autobahn die A 1 integriert wäre, für eine realistische Möglichkeit. Dazu fordern sie mehr Transparenz von der BSU und einen Bürgerdialog in Wilhelmsburg mit Senatorin Hajduk.

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