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Polnische Wirtschaft erwünscht

Berliner PDS für freie Märkte: Statt langjähriger Übergangsfristen sollen die Bundesländer sofort Arbeitnehmern und Dienstleistern aus Osteuropa die volle Freizügigkeit gewähren können

VON UWE RADA

Mit einem überraschenden Vorschlag hat sich die Berliner PDS in die Diskussion um die Zukunft des Arbeitsmarkts nach der EU-Osterweiterung am 1. Mai eingeschaltet. „Den grenznahen Bundesländern muss die Gelegenheit gegeben werden, selbstständig über die Öffnung ihrer Arbeitsmärkte für Arbeitnehmer und Dienstleister aus den Beitrittsländern zu entscheiden“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der PDS-Fraktion, Benjamin Hoff, zur taz.

Damit bezieht Hoff Stellung in der Diskussion um das „Gesetz über den Arbeitsmarktzugang im Rahmen der EU-Erweiterung“. Der Entwurf von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), der derzeit beraten wird, sieht Übergangsfristen von bis zu 7 Jahren bis zur Gewährung voller Freizügigkeit vor.

Während Clement und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Übergangsfristen mit der Angst vor einem Verdrängungswettbewerb begründen, befürchtet Hoff das genaue Gegenteil. „Mit einem solchen Protektionismus wird die Osterweiterung an den grenznahen Ländern vorbeigehen.“ Schließlich würden Länder wie Großbritannien oder Dänemark polnischen Arbeitnehmern und Dienstleistern den sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren. „Nur wenn wir das auch tun, bekommen wir ein Stück vom Kuchen ab.“ Einen deutlichen Zuzug aus den Beitrittsländern befürchtet er nicht. „Die meisten Polen, die hier arbeiten wollen, tun das schon längst“, sagt der PDS-Politiker. Die Freizügigkeit sei damit auch ein Beitrag zur Legalisierung von Schwarzarbeit.

Mit seinem Vorschlag weiß sich Hoff nicht allein. Schon im vergangenen Jahr hatte der ehemalige IHK-Geschäftsführer und nunmehrige Staatssekretär für Wirtschaft, Volkmar Strauch, eine Politik des „Augenzudrückens“ gegenüber Arbeitskräften aus Mittel- und Osteuropa gefordert. Nur so könne Berlin seine Rolle als Drehscheibe zwischen Ost und West wahrnehmen. Auch Brandenburgs Justizministerin Barbara Richstein (CDU) plädiert für mehr Flexibität. Vor allem polnischen Studenten solle es ermöglicht werden, nach ihrem Studium in Deutschland zu arbeiten.

Dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht im Interesse Ostdeutschlands ist, haben zuletzt immer wieder die Oberbürgermeister der Grenzstädte unter Beweis gestellt. „Nur eine sofortige Öffnung der Arbeitsmärkte ohne Übergansgfristen kann uns den nötigen Aufschwung verschaffen“, sagt etwa der parteilose Rathauschef von Görlitz, Rolf Karbaum.

In Berlin und Brandenburg weiß sich die PDS mit ihrem Vorschlag auch einig mit den Bündnisgrünen. „Eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit bringt überhaupt nichts“, sagt die wirtschaftspolitische Sprecherin im Abgeordnetenhaus, Lisa Paus. Auch der brandenburgische Spitzenkandidat der Grünen, Wolfgang Wieland, meint: „Auf der einen Seite heißt es, das Boot ist voll, auf der andern holt man die polnischen Spargelstecher ins Land. Deshalb bin ich strikt für Öffnung, das reguliert sich dann von allein.“

Ob eine Forderung nach einer Öffnungsklausel Erfolgschancen hat, hängt allerdings davon ab, ob sich andere Bundesländer der Initiative anschließen. Noch halten sich die Wirtschaftsminister von Sachsen und Brandenburg zurück. Der Grund: Im Vorfeld der Landtagswahlen will man keine Wählerstimmen besorgter Bürger verlieren.

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