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bundesverfassungsgericht: benetton darf weiter nach herzenslust provozieren

Werbung mit provozierenden Bildern bleibt zulässig. Dies entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Nach fast zehnjährigem Rechtsstreit erklärten die Richter zum zweiten Mal, Benetton-Werbung mit Todeskandidaten oder einem mit „HIV-positiv“ gestempelten nackten Hintern nicht gegen das Grundgesetz verstößt: Die Anzeige sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Sie enthalte keine Botschaft, die die Betroffenen „verspottet, verhöhnt oder erniedrigt oder das dargestellte Leid verharmlost, befürwortet oder in einen lächerlichen oder makabren Kontext stellt“.Anfang der 90er-Jahre hatte der italienische Textilhersteller Benetton mit ölverschmierten Enten, schwer arbeitenden Kindern sowie dem HIV-Hintern geworben. Die Zentrale gegen den unlauteren Wettbewerb wollte diese „Schockwerbung“ jedoch verbieten und hatte zunächst auch Erfolg. Ende 2000 hob das Verfassungsgericht dann aber zum ersten Mal das Verbot auf: „Auch das bloße Anprangern eines Missstandes steht unter dem Schutz des Grundgesetzes“, hieß es damals. Wie bei jeder „Imagewerbung“ müsse akzeptiert werden, dass kein Zusammenhang zu den beworbenen Produkten mehr bestehe. Völlig überraschend untersagte der Bundesgerichtshof anschließend aber die Benetton-Werbung erneut. Der mit „HIV“ gestempelte Hintern verstoße gegen die Menschenwürde, da hier die Not der Aidskranken „ausgebeutet“ werde. Auch ein Aufruf zur Solidarität mit Menschen in Not sei zynisch, „wenn er mit dem Geschäftsinteresse verbunden wird, die eigenen Umsätze in einem ganz anderen Bereich zu steigern“, hieß es zur Begründung. Diese Sichtweise lehnte Karlsruhe nun aber eindeutig ab: Vielleicht werde eine solche Annonce als „befremdlich“ oder „ungehörig“ empfunden, ein Verbot sei damit aber nicht zu rechtfertigen. Jetzt ist wieder der BGH am Zug. CHRISTIAN RATH

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