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Solidarität mit Abschiebehäftlingen

Etwa hundert Menschen demonstrieren vor der Ausländerbehörde gegen die Zustände im Gefängnis Köpenick

Etwa 100 Menschen haben gestern vor der Ausländerbehörde in Lichtenberg dem Motto „Abschiebeknäste öffnen – Ausländerbehörden schließen“ gegen die Haftbedingungen im Abschiebegefängnis Köpenick protestiert. Über 30 Insassen haben sich dort seit Beginn diesen Jahres selbst verletzt oder versucht, sich umzubringen. Einige befinden sich im Hunger- oder gar Durststreik. Diese Proteste und Taten sind nach Ansicht des Antirassistischen Bündnisses Berlin eine Folge der Zustände im Gefängnis und der langen Haftzeiten. An der Aktion nahmen auch Politiker der Grünen, Flüchtlinge und Migranten teil.

Zwar hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) schon im Januar versprochen, Gitter innerhalb des Gefängnisses oder auch die Glasscheiben in den Besucherräumen zu entfernen, aber vor allem die zum Teil langen Haftzeiten seien immer noch ein Problem, kritisierten die Demonstranten. „Was nützt es, wenn der Hofgang jetzt auf 90 Minuten verlängert wird, aber man bis zu 18 Monate auf einen Verwaltungsschritt warten muss“, fragte Christine Schmitz von der Initiative gegen Abschiebehaft. Das Gesetz sehe eine Haft nur vor, wenn eine Abschiebung auch möglich sei, sagte sie. Hier aber diene die Haft der Passbeschaffung. Die Inhaftierten sollten zur Mitarbeit dabei gezwungen werden. Damit werde die Abschiebehaft zu einer Beugehaft, kritisiert Schmitz.

Das Bündnis bezeichnete den Umgang mit den Gefangenen, die sich selbst verletzt oder umzubringen versucht haben, als „rigider denn je“. In ihrem Aufruf kritisieren sie auch, dass seit Februar die Verletzten nicht mehr in öffentliche Kliniken, sondern in das Haftkrankenhaus Moabit gebracht werden.

Auch Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, las der Ausländerbehörde die Leviten. „Das Abschiebegewahrsam in Köpenick ist ein dunkles Kapitel des Vollzugssystems“, sagte er. So sei zum Beispiel gerade von der indischen Botschaft bekannt, dass es schwierig sei, überhaupt Papiere zu bekommen. Trotzdem würden Haftanträge für Inder gestellt, die dann nach sechs Monaten Haft wieder entlassen würden. Das Argument, die Abschiebehaft sei dazu da, ein Untertauchen in die Illegalität zu verhindern, will er nicht gelten lassen. Wenn nach einigen Schätzungen 10.000 bis 80.000 Menschen illegal in Berlin lebten, würde die Inhaftierung von 300 Menschen in Köpenick das Problem der Illegalität nicht lösen, sagte Ratzmann. IMKE ROSEBROCK

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