: Zwist um die Gay Games
Die schwul-lesbische Sportbewegung ist zerstritten, weshalb es 2006 wohl zwei Varianten derGay Games geben wird. Kritiker des Schismas streben einen internationalen Verband als Netzwerk an
VON MICHAEL LENZ
Die Gay Games stecken in der Krise. Nach einem kurzen, aber heftigen Streit hat sich Montreal im vergangenen November als Austragungsort der Gay Games 2006 von der Federation of Gay Games (FGG) als lizenzgebende Organisation gelöst. „Es ist an der Zeit, dass die Athleten wieder im Mittelpunkt stehen“, hieß es in dem Abschiedsbrief der Montrealer an die FFG. Gleichzeitig kündigten sie ihre eigene Show an. Im Jahr 2006 wird es also zwei Gay Games geben: die der FGG, entweder in Los Angeles oder in Chicago; und Rendez-Vous Montreal, denn das kanadische „Dissidentensportfest“ darf sich offiziell nicht Gay Games nennen. Die FGG nämlich besitzt das Recht an der Marke Gay Games und wird diesen potenziell lukrativen Schatz nicht hergeben. Obgleich die letzten drei Gay Games wegen Inkompetenz der Veranstalter und Größenwahn in den dunkelroten Zahlen endeten – allein Sydney fuhr im Jahr 2002 ein Defizit von umgerechnet 1,5 Millionen Euro ein –, ist die Hoffnung nicht unberechtigt, eines schönen Tages so richtig viele rosa Dollar mit den Gay Games zu machen.
Der Streit ging vordergründig um die Größe der Gay Games und um ihre Finanzierung. Die FGG verlangte ein grundsätzliches Mitspracherecht in der Budgetgestaltung. „Wir bestanden darauf, dass die Gastgeberorganisation den Sport absolut in den Mittelpunkt ihrer Planung stellt und erst, wenn die Finanzierung des Sportevents sichergestellt ist, andere Veranstaltungskomponenten ins Auge gefasst werden“, betont Robert Mantaci, Kovorsitzender der FGG. Genau diese „anderen Komponenten“ der Gay Games – Partys und Kulturveranstaltungen – hatten spätestens bei der Veranstaltung im November 2002 in Sydney überhand genommen. Sport, so schien es in der australischen Metropole, war in den Augen der Veranstalter nur noch etwas, um damit die Zeit zwischen zwei Partys totzuschlagen. Ein Konzept, das seinerzeit von der FGG gutgeheißen worden war.
Rendez-Vous Montreal mit Mark Tewksbury an der Spitze, dem Goldmedaillengewinner im Schwimmen bei den Olympischen Spielen von Barcelona 1992, verwahrte sich gegen eine Kontrolle durch die von US-Amerikanern dominierte FGG. Die Kanadier planten „die besten Spiele seit eh und je“ auf einer Grundlage von Teilnehmergebühren von bis zu 24.000 schwul-lesbischen Sportlern. Unrealistisch, kritisierte die FGG unter Verweis auf die bisherigen Gay Games, die es jeweils auf rund 12.000 Teilnehmer brachten.
Aber es ging gar nicht mehr um Fakten, um Analysen, um Geld. Sondern um einen Putsch gegen die FGG, der es laut Tewksbury an „Vision und Führungskraft“ sowie an Transparenz und Demokratie fehlt. Die FGG sei nur „besessen von der Marke Gay Games“ und habe den eigentlichen Sinn der Veranstaltung aus den Augen verloren.
Die FGG weist diese Vorwürfe selbstredend zurück und behauptet das Gegenteil. Tatsächlich aber sind Zweifel an Kompetenz, Transparenz und Führungskraft der FGG berechtigt. Die FGG besteht ausschließlich aus einem „Board of Directors“, ist also ein Vorstand ohne Verein. Jeder, der sich berufen fühlt, kann sich auf einen der Direktorenposten bewerben. Wie das geht, verrät ein von der Homepage der FGG herunterzuladendes Handbuch. Über die Bewerbungen entscheidet dann – genau – der Vorstand.
„Der FGG täte eine Reform durchaus gut“, findet Tatjana Eggeling. Die Berlinerin weiß, wovon sie redet. Ist sie doch gleich dreifach in den internationalen rosa-lila Sportklüngel verstrickt. Sie ist eine der Direktorinnen der FGG und gleichzeitig europäische Sprecherin eines vor wenigen Wochen in Montreal von den Dissidenten gegründeten Thinktanks zur Schaffung eines neuen internationalen schwul-lesbischen Sportverbandes. „Ich wurde aber als Wissenschaftlerin in diese Arbeitsgruppe berufen“, betont Eggeling, die derzeit an ihrer Habilitationsschrift „Homosexuelle und Sport“ arbeitet. Mit von der Partie ist auch der Berliner Robert Kastl, Sprecher von Games Berlin e. V., der die Gay Games 2010 in die deutsche Hauptstadt holen will. Die FGG stelle kein Netzwerk von „SportlerInnen und Vereinen“ dar, kritisiert Kastl. Ein potenzieller Veranstalter von Gay Games aber brauche ein solches Netzwerk, um die Idee von „globalen Spielen auch in die Welt hinauszutragen“.
Der nächste Wettbewerb der im schwul-lesbischen Sport neuen Disziplin „Hauen und Stechen“ findet Ende März auf der International Gay and Lesbian Athletics Conference in Boston statt. Dann nämlich soll der neue Verband aus der Taufe gehoben werden. Wie auch immer das Gerangel ausgehen mag, die Leid Tragenden sind schon jetzt die vielen tausend schwul-lesbischen AmateursportlerInnen in aller Welt, denen aufgezwungen wird, sich in zwei Jahren zwischen den beiden Gay Games entscheiden zu müssen. Wenn sie nicht die Nase voll haben vom Gerangel der Funktionäre und einfach zu Hause bleiben.
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