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Geübt gesendet

Eine Kooperation zwischen Uni Hamburg und Deutschlandradio ermöglicht ein besonderes Projekt: Studierende gestalten ein komplettes Radioprogramm, das bundesweit ausgestrahlt wird

von Günter Flott

Rascheln, immer dieses Rascheln! Julia Zutavens Text ist zwei Seiten lang. Während sie ihn im Tonstudio einspricht, muss sie umblättern, und das raschelt. Hörbar. Am besten „liest du den ganzen Text noch einmal, denn du hast auch das ‚ch‘ in ‚Bauch‘ etwas verschluckt“, weist Susanne Führer an. Und rät, den Hosenknopf zu öffnen. „Dann kannst du besser atmen und sprechen.“ Die Deutschlandradio-Redakteurin übt mit einem Dutzend StudentInnen das Sprechen – Bestandteil des Praxisseminars „Radio“, das derzeit im Studiengang Journalistik an der Universität Hamburg stattfindet.

Während die eine Hälfte der Teilnehmenden mit Sprech- und Atemtechniken ringt, sitzt die andere in einem Seminarraum ein paar Stockwerke tiefer und hört sich Interviews an. Die StudentInnen haben sich gegenseitig befragt: zum Engagement im Studentenstreik, zur Rockband, in der man spielt, zum Nebenjob. Die Interviews sind stark thematisch geprägt – eigentlich jedoch sollten die Personen im Vordergrund stehen. „Da seht ihr mal“, schmunzelt Kommunikationswissenschaftler Michael Beuthner, „wie schnell euch als Fragende vom Antwortenden das Zepter aus der Hand genommen wird. Ganz nebenbei haben die ihre Lieblingsthemen im Interview platziert.“

Neben dem Schein gibt‘s eine eigene Sendung

Uni-Dozent Beuthner und Radio-Redakteurin Führer leiten ein Seminar der besonderen Art. Neben dem Seminarschein bekommen die TeilnehmerInnen auch eine eigene Sendung. Am 20. Februar bestimmen sie 9 bis 18 Uhr das Programm im Deutschlandradio, in dem die Stadt Hamburg im Mittelpunkt steht. Dass Universitäten mit Sendern kooperieren, sagt Beuthner, sei grundsätzlich nichts Neues. „Das beschränkt sich aber auf einen Beitrag. Manchmal wird auch eine kurze Sendung im Lokalprogramm daraus.“ Doch ein ganzes bundesweites Tagesprogramm – „diese Dimension hat es in Deutschland noch nicht gegeben“.

Die Idee zu dieser Zusammenarbeit hatte Susanne Führer. Nicht ganz uneigennützig: Das Deutschlandradio will mehr junge HörerInnen gewinnen und auch in Hamburg präsenter sein. Der erste Annäherungsversuch an die Uni vor einem Jahr wurde gleich positiv erwidert, so dass für das Wintersemester die Praxiswerkstatt ausgeschrieben werden konnte. Das gab es ein „regelrechtes Hauen und Stechen“ auf dem Flur, erinnert sich Beuthner, aber die TeilnehmerInnenzahl musste begrenzt bleiben.

21 Studierende kamen durch. Darunter Sonja Lippmann. Sie hat bereits Erfahrungen beim Privatradio; einen zehn Minuten langen Beitrag konnte sie dort jedoch noch nie unterbringen. Ihr Werk über den Hamburger Hafen wird in der Kindersendung „Kakadu“ ausgestrahlt. Das erlaubt einen bunten und atmosphärische Beitrag mit Originaltönen von verschiedenen Standorten – unter anderem der Schiffsbegrüßungsanlage – und Seemannsliedern. Eine interessante Perspektive verspricht der Bericht von Theresa Linke und Sonja Norgall im Länderreport. Unter dem Titel „Hamburg von unten“ führt der Obdachlose Fred die beiden Reporterinnen durch die Stadt. Auf dem Themenfahrplan stehen ferner Berichte über Hamburger Musikbars, den gebürtigen Hamburger Heinz Erhard, das umstrittene Lehrerarbeitszeitmodell, Forschungen über Fluglärm der TU Harburg und eine Gesprächsrunde mit dem Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust. Die Verantwortlichen für diese Diskussion haben ein stringentes Konzept vorzubereiten; Autoren von politischen oder wissenschaftlichen Themen müssen sich vor allem inhaltlich fit machen; und wer das Geschehen am Fischmarkt vorstellen will, braucht einen anschaulichen szenischen Einstieg. Außerdem muss er früh aufstehen.

Mittlerweile steht fest, wer auch selbst sprechen darf

Den KursteilnehmerInnen wird Engagement abverlangt. Im Seminar lernen und üben sie Schreiben fürs Hören. Die Recherchen für ihre Beiträge und das Schneiden der O-Töne am Schnittcomputer erfolgt in der Freizeit. Aber die Studierenden empfinden es als fruchtbar, theoretisches Wissen über Radiojournalismus gleichzeitig praktisch anwenden zu können.

Sie erleben, wie ein Sendetag mit verschiedenen Formaten und Themen wächst, und erfahren, wie viele Kompromisse man eingehen muss. Denn die Beiträge sprechen die NachwuchsjournalistInnen persönlich mit den Verantwortlichen im Sender ab. Dabeiwurden Exposés zwischen Hamburg und Berlin hin- und hergemailt, Themen verworfen und Konzepte umgestellt.

Seit Mitte Januar nun steht das Konzept. Zwischenzeitlich hat sich auch herauskristallisiert, wer seine Beiträge selbst sprechen kann und wer besser nur redaktionell arbeiten sollte. Wer die Ehre hat, seine Stimme über den Äther schicken zu dürfen, hat aber auch die Pflicht, „auf die Sekunde pünktlich“ in den Berliner Schnitträumen zu sein, betont Susanne Führer. Denn beim letzten Schliff soll nichts mehr in unnötiger Hektik schief laufen.

Schließlich lauschen dem Produkt auch die obersten Programmchefs des Deutschlandradios mit gesteigerter Aufmerksamkeit. Sie müssen immerhin entscheiden, ob aus dem Projekt eine regelmäßig Einrichtung eventuell auch mit anderen Hochschulen wird.

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