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„Keine Sozialamtsveranstaltung“

Positionen, wie sie die umstrittene Kultursenatorin Dana Horáková nicht vehementer hätte vertreten können, propagierte beim SPD-Kulturforum in Hamburg der Bremer Bürgermeister Henning Scherf

Es ist problematisch, im Hamburger SPD-Wahlkampf mit neoliberalen Positionen aufzuwarten. Erst recht mit solchen, die die nicht sonderlich geschätzte Kultursenatorin Dana Horáková (parteilos) ebenfalls vertritt. So gesehen hätte der Auftritt des Bremer Bürgermeisters Henning Scherf (SPD) beim Jour Fixe des SPD-Kulturforums am Dienstagabend im Hamburger Schauspielhaus nicht unpassender ausfallen können. Denn Scherf gab sich überzeugt, dass die private Finanzierung kultureller Institutionen das allein Hilfreiche sei, warf sich in die Bresche für einen Darwinismus, der auch in Bremen im Rahmen der Kulturhauptstadt-Bewerbung derzeit mehrere Institutionen das Leben kostet. Er neige zu der Ansicht, „dass künstlerische Großtaten eher aus dem existenziellen Kampf erwachsen als aus einer Position bequemer Mittelschicht-Finanzierung“. Und selbstverständlich sei „Schrilles, Experimentelles „hoch erwünscht“ – aber eben nur so lange, „wie die Bude voll ist.“

Und wenn sie nicht voll ist? „Dann muss man eben aushalten, dass auch mal was eingeht. Ich war immer dagegen, allzu viele ABM in die Kulturszene zu schustern. Kultur ist ja keine Sozialamtsveranstaltung.“ Und wenn doch mal Geld von außen gebraucht werde, gebe es ja immer noch „Erstaunliches an hanseatischem Bürger-Engagement“. Das ist richtig – aber wozu dies in einer dito hanseatisch engagierten Stadt wie Hamburg verkünden, deren Kultursenatorin eben dies stetig einfordert, ohne allerdings selbst allzu erfolgreich zu akquirieren?

Auch in puncto Eigenständigkeit der Kulturbehörde – in Bremen herrscht eine umstrittene Aufgabenteilung zwischen der Behörde und einer stadteigenen Controlling-Firma, zwischen denen jetzt der Hamburger Ex-Senatsdirektor Volker Plagemann vermitteln soll – war recht Konservatives zu hören. „Konkurrenz schadet nicht, und es ist gut, wenn die Behörde dadurch einen Zuwachs an Kompetenz bekommt.“ Warum man die nicht durch Stärkung der Behörde selbst erzeugt, ließ Scherf offen; glücklicherweise wird solches in Hamburg derzeit nicht diskutiert. Deren gerade entstehende Hamburg Marketing GmbH soll vielmehr das Hamburger Kulturleben bewerben – eine Forderung, die auch schon nicht leicht zu erfüllen scheint.

Möglich also, dass die Hamburger SPD-Leute die Einladung des Bremer Parteifreundes schon bereut haben; Bürgermeister-Kandidat Thomas Mirow jedenfalls verlor später kein Wort über die vom Vorredner propagierten Modelle. Allzu durchdacht klangen seine Vorschläge zur Belebung der Hamburger Kulturlandschaft allerdings auch nicht: Weitere Museen – eins für Presse und eins für Design – regte er an; Erkleckliches über die Konsolidierung der sieben Hamburger Museumsstiftungen hörte man nicht. Eine Fortführung des Horáková‘schen Ideen-Mixes? Es wird sich – vielleicht – nach der Hamburger Bürgerschaftswahl erweisen.

PETRA SCHELLEN

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