: Bankenkrise versenkt Schifffahrt
In Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise droht den norddeutschen Häfen, Werften und Reedereien eine deutliche Konjunkturdelle. Der Containerumschlag stagniert, für Schiffsneubauten gibt es weder Geld noch Nachfrage
Es sei „notorische Schönrednerei“ und „systematische Verschleierung“, was Hamburgs Finanzsenator Michael Freytag (CDU) in der Krise der HSH Nordbank betreibt. So sahen es zumindest die oppositionelle SPD und die Linke am Mittwoch in der Bürgerschaft. Die Verluste in Höhe von 360 Millionen Euro allein im Jahr 2008 habe Freytag, der auch Aufsichtsrat der Bank ist, mit zu verantworten. Weitere riskante Kredite drohten, mahnten mehrere Abgeordnete. Auch stecke der wichtigste Geschäftszweig, die internationale Schiffsfinanzierung, „in großen Schwierigkeiten“. Damit sei Freytag „als politisch Verantwortlicher in eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise geraten“. Freytag wehrte sich gegen „diese kleinkarierte Sündenbocksuche“. Es handele sich „nicht um eine Lokalposse“, sondern um „die größte Weltwirtschaftskrise seit 1929“, unter der auch die gemeinsame Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein leide. Allein ihn dafür verantwortlich zu machen, so Freytag, heiße „mich zu überschätzen“. SMV
VON MARCO CARINI
Die Nachricht des Tages zum Thema Finanzkrise kam mal wieder aus dem Haus der HSH Nordbank, und erneut war es keine gute. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der HSH-Nordbank noch höhere Verluste drohen als bislang befürchtet. Grund sind diesmal nicht spekulative Anlagen, sondern – noch schlimmer – das Kerngeschäft der Landesbank, die sich rühmt, einer der Weltmarktführer in Sachen Schiffsfinanzierung zu sein.
Rund 26 Milliarden Euro hat die Bank in diesem Bereich vergeben, doch im Wellenschlag der Finanzkrise bricht auch hier das Geschäft ein. Die Frachtraten sinken, Schiffsbauaufträge werden storniert. Zinskräftige Darlehen der Nordbanker drohen deshalb zu faulen Krediten zu werden. Schon haben mehrere kleinere Reedereien bei der Nordbank Stundungsanträge gestellt, weil sie ihre Raten nicht mehr zurückzahlen können. Offiziell heißt es, die Bank bräuchte ein bis zwei Milliarden frisches Kapital, um weiter zu machen. Schleswig-Holsteins FDP-Chef Wolfgang Kubicki befürchtet inzwischen sogar, der akute Finanzbedarf der Bank liege bei rund vier Milliarden Euro.
Unübersehbar ziehen mit der Finanz- und Wirtschaftskrise Gewitterwolken über der maritimen Wirtschaft auf. Schon im laufenden Jahr stagniert etwa der Containerumsatz im Hamburger Hafen, der in den vergangenen Jahren stets über zweistellige Zuwachszahlen jubeln durfte. Nach einem Einbruch im September liegt die aktuelle Jahresprognose gerade noch bei einem Plus von 0,9 Prozent – Tendenz fallend.
Während die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) bei derzeit „für das kommende Jahr noch keine Ertragsprognose“ wagt, warnte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Mittwoch im Hamburger Abendblatt vor den Auswirkungen einer bevorstehenden Rezession. Die zu erwartenden Einbrüche im Schifffahrtssektor hätten auch für Hamburg „als Logistikdrehscheibe erhebliche Konsequenzen“. Von Beust: „Hamburg wird sich 2009 warm anziehen müssen.“
Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe rechnet mittlerweile „mit einer Wachstumsdelle im deutschen Seegüterumschlag“. Der Mengenzuwachs von rund drei Prozent bei den deutschen, meist im Norden gelegenen Seehäfen werde sich im kommenden Jahr nicht halten lassen. Noch ist der Abschwung nicht bei allen Reedereien angekommen. So notiert etwa Hans-Herwig Geyer von der Bremer Rederei „Beluga Shipping“ nur eine „leichte Tendenz nach unten“. Geyer: „Noch spüren wir keine Effekte der Finanzkrise und keine Abwärtsbewegung.“
Noch. Schuld an den schlechten Prognosen des Zentralverbandes ist vor allem das abflauende Geschäft mit den asiatischen Handelspartnern. Von dort kommen dramatische Töne. Die Singapurer Reederei „Neptune Orient Lines (NOL)“, die noch im Oktober gewillt war, die Hamburger Traditionsreederei Hapag Lloyd zu übernehmen, kündigte umfangreiche Entlassungen an. 1.000 der insgesamt 10.000 Stellen sollen kurzfristig wegen eines „noch nie da gewesenen Geschäftseinbruchs“ gestrichen werden. „Das Umfeld ist so negativ wie nie zuvor in der Geschichte dieser Industrie“, warnt NOL-Chef Ron Widdows. „Was wir sehen, geht weit über einen normalen zyklischen Abschwung hinaus.“
Die begonnene Talfahrt schlägt auch voll auf den norddeutschen Schiffsbausektor durch, in dem nach einer aktuellen Untersuchung des Bremer Instituts für Arbeit und Wirtschaft der IG Metall Küste derzeit knapp 21.000 Beschäftigte ihr Geld verdienen. Einen ersten, deutlichen zu hörenden Warnschuss gab vor wenigen Tagen Bernard Meyer ab, Geschäftsführer der auf den Bau großer Passagierschiffe spezialisierten Papenburger Meyer-Werft. „Der Neubaumarkt für Kreuzfahrschiffe ist zurzeit tot“, lässt sich der Chef der zweitgrößten deutschen Werftengruppe in einem Zeitungsinterview zitieren. „Viele Aufträge werden jetzt storniert. Die Nachfrage nach neuen Schiffen bricht zusammen.“ Schuld daran seien die geringere Nachfrage und die restriktivere Kreditvergabe der angeschlagenen Banken.
Kaum optimistischer äußert sich die IG Metall Küste in einem aktuellen Papier. Die Gewerkschaft befürchtet, dass „nicht durchfinanzierte Neubauaufträge gestrichen“ und Kreditvergaben noch weiter verschärft werden könnten. Die Werften könnten „in Liquiditätsengpässe kommen“.
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