Diepgen-Ehrenvorsitz: Die Einladung aufs Abstellgleis
Sie haben ja Recht, die CDU-Kritiker, wenn sie Eberhard Diepgen politisch für die katastrophale Finanzlage Berlins verantwortlich machen. Denn unter wessen Führung entstanden Schuldenberg und die unselige Bankgesellschaft? Unter der Diepgens, der vor fast genau 20 Jahren Regierender Bürgermeister wurde.
KOMMENTARVON STEFAN ALBERTI
Und tatsächlich ist es angesichts des proklamierten CDU-Neubeginns alles andere als verheißungsvoll, die Spitzenfigur vergangener Tage beim morgigen Parteitag zum Ehrenvorsitzenden zu machen. Deshalb sind die Bedenken – auf den ersten Blick – nachvollziehbar.
Schaut man jedoch genauer hin, wird klar, dass die parteiinternen Kritiker irren. Einerseits schadet die Ehrung dem angestrebten neuen Image. Andererseits ist der Nutzen für den Landesverband nämlich größer als der Schaden. Denn noch mehr würde es den Neuanfang torpedieren, wenn Diepgen wieder in der Unionspolitik mitzumischen begänne.
Schon im Herbst begann es Diepgen wieder in den Fingern zu jucken. Er gab wieder Interviews. Hat der Mann etwa noch Ambitionen? Will er 2006 nochmals versuchen, endlich in den Bundestag zu kommen? 2002 hatten die Parteifreunde seinen Rücktritt als Landeschef inszeniert, als sie ihm die Spitzenkandidatur verweigerten.
Um wieder aufkeimende Träume schon von vornherein zu ersticken, ist der Ehrenvorsitz also das beste Mittel. Schlimm genug für die CDU, wenn sie dazu greifen muss. Aber wie sonst ließe sich jemand sicherer aufs politische Abstellgleis schieben? Als Ehrenvorsitzender lässt sich höchstens noch Bundespräsident werden – und so verzweifelt ist selbst die CDU noch nicht.
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