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Dudelfunkstille

In Frankreich streiken die Radiojournalisten der Öffentlich-Rechtlichen.Sie fordern mehr Gehalt – und fürchten die Privatisierung ihrer Sender

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Um das runde Haus im Westen von Paris zieht eine Schar von Demonstranten. Es sind Journalisten. Normalerweise arbeiten sie im Inneren des „Maison de la Radio“. Doch jetzt tragen sie Mikros aus Plastik mit sich. Und Tonbandgeräte aus Karton. Und weiße Binden über dem Mund. Aufschrift: „Silence Radio“.

Im großen öffentlich-rechtlichen Komplex des französischen Rundfunks herrscht Schweigen. Beziehungsweise Nonstop-Gedudel. Information findet nicht statt. Die Journalisten sind im Streik. Die ersten haben bereits vor 17 Tagen mit dem Ausstand begonnen. Peu à peu sind immer mehr Kollegen dazu gekommen. Seit Mitte dieser Woche sind fast alle öffentlichen Sender k.o.

Die Streikenden verlangen, dass ihr Tarifvertrag eingehalten wird. Vor zehn Jahren haben sie die Zusage erhalten, ihre Gehälter würden an jene der Lokalsender des staatlichen Fernsehens „France 3“ angeglichen. Sowohl der Kulturminister, der in Frankreich oberster Chef der audiovisuellen Medien ist, als auch die Direktion von „Radio France“ haben damals zugesagt. Ein paar Jahre lang hat das funktioniert. Doch seit dem Amtsantritt der rechten Regierung ist die Harmonisierung ins Stocken geraten. Zwar gilt der Tarifvertrag weiter, doch Kulturminister Jean-Jacques Aillagon sieht nicht ein, dass er ihn einhalten soll. Für ihn sind „Radio und Fernsehen nicht dasselbe“. Zwischen den Radio-France-Journalisten und ihren Kollegen bei „France 3“ klafft jetzt ein Gehaltsgraben von 20 Prozent.

Im Verhältnis zu Deutschland sind die Gehälter für Radiojournalisten in Frankreich niedrig. Reporter in der Karrieremitte können froh sein, wenn sie 2.400 Euro verdienen. Davon müssen sie noch Steuern zahlen. Nach 37 Berufsjahren beträgt ein gutes Gehalt rund 3.000 Euro. Doch Geld ist nicht der einzige Streikgrund. Längst sind auch prinzipielle Sorgen um die Zukunft von „Radio France“ hinzugekommen. Der Kulturminister untersagt der Direktion von „Radio France“, einen neuen Gehaltsplan bis ins Jahr 2006 auszuhandeln. Die Regierung verhält sich, wie sie es zuvor gegenüber den Protesten der Lehrer, der Schauspieler und der Rentner getan hat: Sie sitzt aus. Und sie hofft, dass sich der Konflikt totläuft.

„Es sieht nicht rosig aus“, sagt Laetitia Gaet (31), Reporterin bei „France Inter“. Sie schätzt am öffentlich-rechtlichen Radio die „Unabhängigkeit von der Werbung“ und die „Idee von einem Dienst für die Öffentlichkeit“. Wie viele Kollegen befürchtet sie, dass die Regierung weitere Teile der audiovisuellen Medien privatisieren will. Anzeichen dafür gibt es. Da ist das beinahe stagnierende Budget, die geplante räumliche Auslagerung des größten Senders „France Inter“ und die aufkommende Forderung von rechten Politikern, die Radio- und TV-Gebühren abzuschaffen. Hinzu kommt der Ausverkauf anderer öffentlicher Betriebe. Und jetzt auch noch das demonstrative Desinteresse des Kulturministers an den Sorgen der Journalisten.

Die Streikbeteiligung ist hoch. Bei manchen Sendern liegt sie über 70 Prozent. Dabei ist nur eine Minderheit der Journalisten gewerkschaftlich organisiert. Und Streik bedeutet im schlimmsten Fall Lohnausfall. Denn Streikkassen gibt es in Frankreich nicht. Während die Streikenden weiterhin auf Verhandlungen hoffen, dudelt im französischen Äther fast nur noch Einheitsbrei: Werbung, viel Musik, wenig Info, sowie Quasselsendungen mit intimen Geständnissen: „Äh … ich hätte da ein Problem … mein Mädel hat einen Neuen.“ Ist das vielleicht Zukunft des Radios?

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