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Bewusstseinserweiternder Schulkuchen

Zehn Lehrer mussten ins Krankenhaus, weil ihnen ein Haschischkuchen Unbehagen bereitete. Die Polizei ermittelt

BERLIN taz ■ In Lüneburg sorgt ein Schokokuchen für Aufsehen. Um 8.45 Uhr morgens lag er, in eine gelbe Tüte gehüllt, vor der Tür des Lehrerzimmers im Herder-Gymnasium. Mittags lagen einige Lehrer im Krankenhaus. Sie fühlten sich unwohl – und alle hatten von dem Kuchen gegessen. Der Grund: In der süßen Spende war Haschisch.

Gewundert hatte sich niemand über das Backwerk vor der Tür, denn das Kuchenbacken hat an der Schule Tradition. Die Schüler bringen seit langem „Kuchen für Tschernobyl“ mit. Eltern und Schüler backen, die Lehrer zahlen. Das Geld geht an Opfer des Reaktorunglücks. Nun aber herrscht Aufregung an der Herder-Schule.

Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung gegen Unbekannt. Die letzten Krümel des Tatwerkzeugs wurden beschlagnahmt und analysiert. „Wir nehmen das sehr ernst und ermitteln von Amts wegen“, sagt Polizeisprecher Michael Düker. Erstes Untersuchungsergebnis: In dem Kuchen war tatsächlich Cannabis. Nun wird der Täter gesucht. Die Türen der Schule waren offen, neben den 700 Schülern und 65 Lehrern kommen also noch die 70.000 übrigen Lüneburger als Täter in Frage. Doch es gibt schon erste Hinweise. Die Polizei hat Zeugen gefunden, die offensichtlich eine „Täterbeschreibung“ liefern konnten.

Den Lehrern geht es inzwischen wieder gut, sie wurden allesamt schon am Mittwochabend wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Sie hatten sich geschwächt gefühlt, litten unter Schwindelgefühlen, zitterten, hatten die Orientierung verloren. „Die haben neben sich gestanden“, sagt der Direktor der Herder-Schule, Horst Homburg. Bisher habe der Lehrkörper die „Phänomene des Haschischkonsums“ nicht gekannt.

Der Schulleiter fürchtet nun um die lieb gewordene „sechsjährige Tradition des Kuchenbackens“. „Den Brauch wollen wir nicht aufgeben“, sagte er der taz. Und forderte alle Schüler auf, bei der Tätersuche mitzuhelfen. „Das Klima an der Schule darf nicht vergiftet werden“, fordert er. Und Lehrer deshalb auch nicht. Lustig kann er die Idee mit dem bewusstseinserweiternden Kuchen nicht finden. „Das war vielleicht als Scherz gemeint, aber keiner hier wertet es so.“ Gegessen habe davon schließlich auch eine schwangere Lehrerin und andere, die mit dem Auto nach Hause fahren wollten.

Glücklich sind die, die sich am Morgen gegen Schokolade entschieden haben. Der zweite Kuchen des Tages, ein Butterkuchen, hatte keine gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffe.

FLORIAN OEL

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