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„Paris wird der härteste Gegner“

Interview FRANK KETTERER

taz: Herr Professor, das Nationale Olympische Komitee wählt heute jene deutsche Stadt, die ins internationale Rennen um die Olymischen Spiele 2012 gehen darf. Wen würden Sie an den Start schicken?

Nikolaus Fuchs: Die Stadt, die international die größten Chancen hat. Ich will schließlich, dass die Spiele nach Deutschland kommen – und da nutzt es ja nichts, dass wir viel Geld ausgeben und weltweit eine Stadt promoten, die von Anfang an keine Chancen hat.

Als da wären?

Da möchte ich auf Denis Oswald, einen ganz mächtigen IOC-Funktionär und Chefinspekteur für die Spiele 2004 in Athen, verweisen. Er hat kürzlich zwei sehr interessante Aussagen gemacht. Erstens: Es kann nur eine Metropole werden, die mindestens eine Million Einwohner hat. Zweitens: Städte, die ihre mangelnde Größe durch eine regionale Eingebundenheit kompensieren wollen, haben ebenfalls keine Chance. Wenn man das auf die deutschen Städte überträgt, haben nur drei Städte die Chance, den Zuschlag für Olympische Spiele zu erhalten: München, Berlin – und Hamburg.

Mal angenommen, es wird Hamburg: Was käme auf die Hansestadt zwischen dem nächsten Samstag und dem 6. Juli 2005, wenn das IOC sich festlegt, zu?

Als Erstes muss eine internationale Bewerbungsschrift verfasst werden. Das ist eine Fleißarbeit. Hamburg müsste an seinem schon guten Konzept noch feilen und eine überzeugende Konzeption mit kreativen Elementen vorlegen. Das Zweite ist: Sie müssen einen internationalen Bewerbungsfilm machen, der bei der Bewerbung vorgeführt wird. Schließlich drittens: Sie müssen im Rahmen der heute noch zulässigen Möglichkeiten international für die Stadt werben. Das ist ein ganz entscheidendes Element, das im Falle Berlins nicht ganz optimal gelaufen war.

Und auch Sie persönlich in die Schlagzeilen gebracht hat.

Das stimmt. Ich habe seinerzeit Maßnahmen vorgeschlagen, die zu den damals gültigen Entscheidungsmechanismen des IOC gepasst haben. Schließlich wollten wir die Spiele.

Und deshalb haben Sie Geheimdossiers über die IOC-Mitglieder anfertigen lassen.

Was heißt Geheimdossiers? Die Olympia-GmbH hatte Recherchen in Auftrag gegeben, weil sie wissen wollte, wie die Spielregeln im internationalen Vergabeprozess funktionieren. Wer das nicht macht, ist ein Idiot. Natürlich haben auch wir vorher recherchiert, wer wie abstimmt. Und natürlich haben wir uns darüber informiert, was die einzelnen IOC-Mitglieder haben wollen.

Selbst was Sexuelles angeht.

Es gab IOC-Mitglieder, die wollten nach dem Essen noch ins Kabarett gehen und fanden es lustig, wenn dort ein paar Mädchen die Beine geschwungen haben. Auch das gehört zum Leben.

Und zu einer Olympiabewerbung?

Wenn Sie heute im internationalen Umfeld Geschäfte machen, sind alle Dinge, die nicht illegal sind, im Rahmen des Zulässigen. Wünsche potenzieller Kunden sind sehr unterschiedlich. Die einen freuen sich, wenn sie eine Postkarte geschenkt bekommen, die anderen wollen in Paris ins Moulin Rouge und fünf Flaschen Champagner hintereinander trinken. Ich sehe da nach wie vor nichts Verwerfliches.

Weil das Spiel um die Spiele eben so gespielt wird?

Genau. Und bitte vergessen Sie nicht: Die Spiele wurden damals nach Sydney vergeben, weil am Abend vor der Abstimmung afrikanische Stimmen gekauft wurden. Das ist aktenkundig. Wir Deutschen haben mit Sicherheit alles gemacht – aber wir haben keine Stimmen gekauft.

Heute dürfen die IOC-Mitglieder die Bewerberstädte im Vorfeld nicht mehr bereisen. Haben sich dadurch auch die Bewerbungsgepflogenheiten geändert?

Viele Sündenböcke von damals sind aus dem IOC gedrängt worden. Und es gibt inzwischen eine Evaluierungskommission.

Das funktioniert?

Ich glaube, dass die IOC-Mitglieder sich zum Großteil tatsächlich an die neuen IOC-Regeln halten.

Was hat Berlin damals sonst noch falsch gemacht? Was könnte Hamburg aus den Berliner Fehlern lernen?

In erster Linie sind es drei Dinge, die man besser machen kann. Erstens: Um Himmels willen nichts im Vorfeld bauen, weil Sie nicht wissen, ob Sie die Kapazität wirklich benötigen. Das war der größte Fehler, den Berlin gemacht hat: Schon vor der Vergabe eine Radsport- und eine Schwimmhalle hinzustellen. Zweitens: Bitte sich intensiv mit kritischen Stimmen beschäftigen und sich mit der Opposition einigen, um das Konfliktpotenzial möglichst gering zu halten. Schließlich drittens: international massiv für die Stadt werben.

Wie wichtig ist die Unterstützung aus der Bevölkerung?

Sie müssen nicht die ganze Bevölkerung hinter sich bringen, aber sie müssen versuchen, mit den Gegnern umzugehen. Da kann schon ein harter Kern von 50 bis 100 Olympiagegnern, die militant auftreten, die Vergabe der Spiele torpedieren. In Berlin ist das besonders schlecht gelaufen.

Ist Berlin letztlich daran gescheitert?

Ich glaube schon, dass das eine starke Wirkung auf einige IOC-Mitglieder gehabt hat. Schauen Sie: Wenn das IOC die Spiele vergibt, ist das ein Akt, wie wenn Sie ihr Kind für vier Jahre irgendwo hin in Pflege geben. Da wollen Sie wissen, dass es in guten Händen ist. Wenn dann vermummte Steineschmeißer auftauchen, haben sie es sehr schwer.

Was sind Ihre Lehren daraus?

Ich rate dringend, Gegner Olympischer Spiele einzubinden, am besten mit Dingen, die auch für sie einen Nutzen darstellen.

Rechnen Sie erneut mit militantem Widerstand?

Ja. Den wird es geben.

Herr Fuchs, wie teuer kommt eine gute internationale Bewerbung?

Ich gehe von 30 Millionen Dollar aus.

Was hat eine Stadt, die diese Summe investiert, davon, wenn es am Ende nicht klappt?

Alle Maßnahmen, die man im Rahmen einer Olympiabewerbung durchführt, sind Stadtmarketingmaßnahmen. Es ist für den Standort Deutschland eine Werbung – und für die entsprechende Stadt. Das Geld ist ja nicht weg. Es fließt in private Unternehmen, wird als Einkommen gezahlt und induziert wieder Ausgaben. Das ist positiv.

Noch positiver wäre es, die Stadt bekommt die Spiele.

Dann entsteht ein Entscheidungsdruck für vielerlei Maßnahmen, die eine Stadt nach vorn bringen. Schauen Sie nur nach München: München hat sich durch Olympische Spiele entscheidend entwickeln können.

Dennoch stellt der Berliner Wirtschaftswissenschaftler Gert Wagner fest, dass, was „unmittelbare Kosten und Nutzen betrifft, Spiele defizitär“ seien, wenn „man nicht behauptet, dass Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und die Sportstätten ohnehin getätigt werden müssten“. Können Sie ihm zustimmen?

Zum Teil. Man muss da zwischen betriebs- und volkswirtschaftlichen Effekten trennen. Die Stadt bekommt so viele Gelder vom IOC, dass das betriebswirtschaftlich ein Nullsummenspiel sein kann. Wenn man’s richtig macht, bleibt sogar etwas übrig. Wo Wagner völlig Recht hat, ist , wenn er sagt: Leute, passt auf, in Dinge zu investieren, die zu hohen Überkapazitäten führen und die hinterher hohe Nachnutzungskosten verursachen.

Deshalb ist Olympia für Wagner eine „hochriskante Investition“.

Ja, aber dieses Risiko kann man dadurch minimieren, dass man ein ziemlich rigides und privatwirtschaftlich organisiertes Kostenmanagement einführt mit einer entsprechenden Konzeption. Das ist eine Frage der Intelligenz. Deshalb würde ich dazu raten, in Deutschland die low cost games auszurufen. Das würde der Bewerbung auch noch ein eigenes Profil geben.

Herr Fuchs, wo finden die Spiele 2012 denn nun statt?

Sie finden sicher nicht in Asien statt, wegen Peking 2008. Sie werden auch nicht in Australien stattfinden, wegen Sydney. Beide sind zeitlich zu nahe dran. Die Spiele werden auch nicht in Afrika stattfinden, weil Afrika dafür einfach nicht die nötige wirtschaftliche Potenz hat. Sie werden aus ähnlichen Überlegungen auch wahrscheinlich wieder nicht in Südamerika stattfinden, obwohl Süd- oder Mittelamerika eigentlich mal wieder dran wären. Bleiben Nordamerika und Europa. Vor dem Hintergrund des Irakkrieges und aufgrund der Schwierigkeiten, die es verursachen wird, wieder vernünftige Verhältnisse im Irak herzustellen, ist denkbar, dass der Austragungskontinent Nordamerika Schwierigkeiten bekommen könnte. Wobei man hier Kanada mit Toronto nicht unterschätzen darf. Ein ganz starker europäischer Kandidat ist und bleibt für mich Paris. Paris ist ein Schwergewicht. Das wird der härteste Gegner für Hamburg.

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