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der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR

… steht auf Uniformen. Im Alter mehr als in der Jugend. Aber was lässt man sich nicht alles einfallen in einer Szene, in der Älterwerden nicht erlaubt ist. Ein prominenter Sänger hat mir mal erzählt, Spaß beim Sex habe er nur mit Männern in den orangefarbenen Uniformen der Berliner Stadtreinigung. „Darin sehen sie alle gleich aus“, so seine Begründung für die extravagante Vorliebe: „Das gibt mir eine gewisse Sicherheit.“

Selbstverständlich steht der homosexuelle Mann gar nicht auf Uniform, aufregend wird es erst, wenn die wieder fällt. In den Erzeugnissen der schwulen Pornoindustrie sind Uniformträger der Renner. „Perestroika“ heißt eine erfolgreiche Pornoserie, in der sich Laiendarsteller der Roten Armee lecker ihrer Dienstkleidung entledigen. Selbiges gibt es auch von jungen US-Marines oder britischen Elitesoldaten. Der Unterleib kennt keine Ideologien.

Wem der voyeuristische Spaß nicht genügt, der kann auch ganz praktisch werden. Seit Jahren boomen hierzulande die Gruppen der Uniformträger. Die heißen „Kommando Nord“, „1. Jägerbataillon Ost“ oder „Gay Army Frankfurt“, und die Mitglieder verbringen ihre Freizeit bevorzugt in Olivgrün. Im Vereinslokal oder im Manöver, den so genannten Outdoor-Wochenenden. Da lernt man Strammstehen und Marschieren, wie Lagerfeuer geht und Eintopf schmeckt. „Fuck the Army“ aber heißt die oberste Losung, die den Männerbund zusammenhält. Waffen sind dabei nicht erlaubt, auch keine rechten Parolen oder treudeutsche Fahneneide. Schließlich geht es um Sex, nur zackiger.

Wem das Original heilig ist, der muss gegen die Fälschung vorgehen. Jedenfalls im einstmals liberalen Hamburg. Da setzte die Staatsanwaltschaft unlängst drei Fahnder in Begleitung von zwei Feldjägern in Trab, um einen falschen Brigadegeneral auf dem Weg zu einem „Kameradschaftstreffen“ des „Kommando Nord“ hopszunehmen. In dem Vereinslokal konnten noch weitere Uniformträger festgestellt werden, die sich umgehend auf Befehl der Staatsmacht ihrer sexy Kleidung entledigen mussten, schließlich verbietet § 132a StGB das unerlaubte Tragen von Uniformen. Dass es sich hier um eher zivile Ziele im libidinösen Umgang miteinander handelte, mochte den anwesenden Staaatsanwalt nicht überzeugen, den homosexuellen Männern in Uniform drohen jetzt saftige Geldstrafen.

Zwar hatte die Hardthöhe im September 2002 signalisiert, dass Fetischfreunden prinzipiell keine Strafe drohe, „solange nichts passiert“. Aber in Schills Hamburg herrscht eine andere Zucht. Und ein homosexueller Bürgermeister garantiert nicht immer ein nettes Auskommen mit der schwulen Gemeinde. Dabei ist der Verrat der schwulen Militärfreunde am homoerotischen Männerbund der realen Soldaten harmlos, auch wenn Befehl und Gehorsam genau so ernst genommen werden wie bei den Originalen. Warum er ohne seine Freizeittruppe nicht kann, hat ein Uniformfreund, der tatsächlich gedient hatte, so beschrieben: „Ich möchte nur einmal glücklich im Kreis von Uniformierten sitzen und mich nicht dafür schämen, dass ich schwul bin.“

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