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Die Queen kommt an die Steckdose

Landstrom für Kreuzfahrtschiffe: Als erster großer Hafen Europas will Hamburg die Luftverschmutzung durch Schiffsdiesel bekämpfen. Ein Gutachten sieht akuten Handlungsbedarf, denn Passagierschiffe verbrauchen so viel Strom wie eine Großstadt

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die „Queen Mary 2“ ist ein ökologisches Monstrum der schlimmsten Kategorie, mehrtägige Standortspektakel im Hamburger Hafen wie der Hafengeburtstag Anfang Mai oder die Cruise Days Anfang August sind ein umwelt- und gesundheitspolitisches Desaster. Denn die großen Kreuzfahrtschiffe gehören zu den Hauptverursachern von Luftverschmutzung. Das belegt ein Gutachten der renommierten Schiffsklassifizierungsgesellschaft Germanischer Lloyd, das im Auftrag der Hamburger Wirtschaftsbehörde erstellt wurde (siehe Tabelle). Als erster großer Hafen Europas will Hamburg nun Gegenmaßnahmen einleiten: Kreuzfahrtschiffe sollen aufgrund der Empfehlung der Expertise an die Steckdose.

„Wir prüfen diese Vorschläge sehr intensiv und rasch“, bestätigte Senatssprecherin Brigitte Köhnlein (Grüne) auf Anfrage der taz nord. Alternativ würde auch eine Versorgung mit Gas in der Erwartung untersucht, dass in Zukunft mehr Schiffe mit diesem Treibstoff fahren würden. Die 86-seitige Expertise nennt diese Variante relativ kostengünstig, sagt aber erhebliche technische Probleme und Zeitverzögerungen voraus. „Die Versorgung der Schiffe mit Landstrom erscheint im Vergleich die derzeit beste Möglichkeit zum Ersatz von dieselgetriebenen Schiffsgeneratoren“, lautet deshalb das Fazit der Gutachter.

Hamburg hat gute Gründe, rasch zu handeln. Mehr als 80 Kreuzfahrtschiffe mit etwa 140.000 Passagieren werden es dieses Jahr sein, über 100 sind für 2009 avisiert, 2015 sollen es 250 Schiffe mit einer halben Million Fahrgästen werden, die im Hamburger Hafen anlegen. Weil das Cruise Center in der Hafencity die wachsende Zahl von Kreuzfahrtschiffen nicht mehr abfertigen kann, wird im Sommer ein zweiter Terminal in Altona eröffnet. Denn noch sind die Ostseestädte Kiel (2008: 125 Schiffe, 190.000 Passagiere) und Rostock-Warnemünde (116, 170.000) die Top-Destinationen – und das lässt Hamburg nicht ruhen.

Der Energiebedarf der Riesenschiffe ist allerdings gewaltig: Die „Queen Mary 2“, bis vor kurzem das weltgrößte Passagierschiff, verbraucht im Standby-Betrieb an der Kaimauer pro Tag so viel Elektrizität wie eine Stadt von 200.000 Einwohnern – also wie ganz Kiel oder Rostock.

Den Bordstrom während der Liegezeiten im Hafen erzeugen die Schiffe mit Dieselgeneratoren, die Schweröl verbrennen. Dieser Stoff fällt als Rückstand in Ölraffinerien an, ist deshalb sehr billig und hoch giftig. „An Land müssten Schiffe wie Sondermüllanlagen behandelt werden“, spottete deshalb unlängst die Bremer Umweltorganisation Aktionskonferenz Nordsee.

Schon Anfang vorigen Jahres hatte ein Luftschadstoffgutachten ergeben, dass die Kreuzfahrtschiffe die Hafencity mit gesundheitsgefährdenden Abgasen belasten. In unmittelbarer Nähe zum dortigen Kreuzfahrtterminal dürfe es wegen der hohen Schadstoffbelastung durch Stickoxide, Schwefeldioxid sowie Feinstaub aus den Schiffsdieseln keine Wohnbebauung geben, Bürogebäude müssten zur Wasserseite geschlossen sein und eine „kontrollierte Lüftung aus unbelasteten Bereichen“ ermöglichen. Kein Wunder, dass die Hansestadt sich zum Handeln gezwungen sieht, um die Immobilienpreise in den Premiumlagen – zurzeit bis zu 11.000 Euro pro Quadratmeter – mit unverbaubarem Blick auf Elbe, Hafen und Cruiseliner nicht zu verderben.

Die bundesweit erste Landstromversorgung hatte am 21. August Lübeck in Betrieb genommen. Die von Siemens und den Lübecker Stadtwerken bis zur Serienreife entwickelte Anlage kostete 1,5 Millionen Euro und kann Schiffe an drei Liegeplätzen mit Elektrizität versorgen. Dass die Hansestadt an der Ostsee zum Vorreiter wurde hatte handfeste Gründe. Dem Vorort Travemünde drohte die Aberkennung des Titels „Ostseeheilbad“, weil die Emissionen der Schiffe die Qualität von Luft und Wasser massiv beeinträchtigten. Im größten Fährhafen der EU und größten Ostseehafen Deutschlands verursachte der Schiffsverkehr 95 Prozent der Emissionen an Schwefel, 78 Prozent der Stickoxide und 65 Prozent des Feinstaubes. Für Kiel und Rostock-Warnemünde liegen keine Zahlen vor, die Tendenz aber dürfte dieselbe sein. Ein Bericht, wie sich der Schiffsstrom aus der Steckdose auf die Luftqualität in Travemünde auswirkt, wird Anfang nächsten Jahres vorgelegt.

Bis dahin sollen auch in Hamburg zwei konkrete Studien die Alternativen Strom und Gas auf Umsetzbarkeit untersucht haben. Diese sollten als Grundlage für eine politische Entscheidung dienen, sagte Senatssprecherin Köhnlein. Ziel sei es, bis 2010 für die hochwillkommenen Kreuzfahrer eine ökologisch vertretbare Lösung gefunden zu haben.

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