Mit einem Pralinengipfel die Wiederwahl sichern

Belgien ist bekannt für seine Schokolade und ehrgeizige militärische Ziele. Doch die Erwartungen, die die Regierung an den Vierergipfel hat, werden nur zum Teil erfüllt werden

BRÜSSEL taz ■ Was den belgischen Premier Guy Verhofstadt trieb, als er einen Gipfel zum Thema gemeinsame europäische Verteidigungspolitik anregte, liegt auf der Hand. Am 18. Mai muss der Liberale Wahlen gewinnen, ein knapper Ausgang wird erwartet – und die Belgier scheinen von wehrbereiten Politikern ähnlich fasziniert zu sein wie die Deutschen von einer Führungsspitze aus Wehrdienstverweigerern.

Dass Nachbar Jacques Chirac sofort zur Teilnahme bereit war, erstaunt ebenfalls nicht. Mit einer wehrhaften EU, die ohne Nato einsatzfähig wäre, würden alte gaullistische Träume war. Was aber Bundeskanzler Schröder dazu brachte, seine Teilnahme zuzusagen, während er eigentlich derzeit alles vermeiden will, was London oder Washington ärgern könnte, bleibt rätselhaft. Auch die Motive des Vierten im Bunde, des Luxemburger Premiers Jean-Claude Juncker, bleiben im Dunkeln. „Es wird nicht darum gehen, einen Putsch gegen die Nordatlantische Allianz zu inszenieren oder ein dauerhaftes Abrücken von den USA vorzubereiten“, versicherte er Ende März. Aber worum geht es dann?

Im Vorfeld sickerte durch, wie sich die belgischen Gastgeber das Gesprächsergebnis vorstellen: Sie wollen ein militärisches Kerneuropa schaffen. Innerhalb eines Jahres soll der neue Club seine Militärverbände verschmelzen, vor allem Spezialeinheiten wie ABC-Abwehr, Lufttransporte und Pilotenausbildung. Das klingt nach Synergie, könnte den deutschen Verteidigungsetat entlasten und müsste also auch den Deutschen gefallen.

Das Papier fordert aber gleichzeitig, dass die Clubmitglieder ihre Rüstungsanstrengungen bis 2012 fast verdoppeln sollen. Eine Rüstungsagentur soll die technische Entwicklung bündeln und Parallelprojekte europäischer Firmen vermeiden helfen. Schließlich soll ein europäischer Generalstab die künftigen Militäreinsätze leiten – so weit weg vom Nato-Hauptquartier in Mons, wie es im kleinen Belgien überhaupt möglich ist, im Brüsseler Vorort Tervuren. Mittlerweile ist das vorab bekannt gewordene Papier so sehr zerredet worden, dass von seiner Substanz kaum etwas übrig bleiben wird. Brüsseler Beobachter prophezeien denn auch, morgen werde überhaupt nichts beschlossen – und das sei unter den gegebenen Umständen wohl auch das denkbar beste Ergebnis.

Dass auch symbolische Zusammenkünfte für viel böses Blut sorgen können, hat aber zuletzt die deutsch-französische Feier zum Elysee-Vertrag gezeigt. Die Meldung, beide Länder wollten künftig Beobachter in die Ministerrunde des Nachbarn entsenden, schockierte London und Madrid so sehr, dass sie seither jeden deutsch-französischen Vorschlag mit tiefem Misstrauen betrachten.

Da die anderen EU-Mitglieder sich nicht dem Verdacht aussetzen wollen, an einer Palastverschwörung beteiligt zu sein, bleiben die vier morgen unter sich. Griechenland, das viel Sympathie für das belgische Anliegen aufbringt, winkte ebenso ab wie Großbritannien, Spanien und die Niederlande. Auch der außenpolitische Repräsentant des Rates, der Spanier Javier Solana, wird nicht bei dem Treffen erwartet, obwohl er zunächst Interesse signalisiert hatte. George Bush hätte sicher gern Tony Blair dabei gesehen, damit der ihm hinterher berichten kann. Aber dieses Problem dürfte sich lösen lassen: Das Ratsgebäude in Brüssel ist mit Abhörwanzen gespickt. DANIELA WEINGÄRTNER