: „Österreich ist da viel weiter“
Der Verkehrsexperte und grüne Kandidat fürs Europaparlament Michael Cramer kritisiert die jahrelangen Verzögerungen im Schienenausbau mit Polen. Wenn die Bahn nicht wolle, müssten private Betreiber ran
Herr Cramer: Brauchen Berlin und Brandenburg einen grenzüberschreitenden regionalen Bahnverkehr mit Polen?
Michael Cramer: Aber natürlich. Wie es klappen kann, sieht man in Österreich. Da ist der grenzüberschreitende Verkehr mit Tschechien und der Slowakei längst Realität.
Welche Strecken sollten zwischen Berlin-Brandenburg und Polen bedient werden?
Vor allem die im Grenzgebiet, aber nicht nur auf der Schiene, es geht auch um Busverbindungen. Beides muss miteinander kombiniert werden.
Heute haben der Chef des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg, der brandenburgische Verkehrsminister und der Marschall der Woiwodschaft Lubuskie ein gemeinsames Verkehrsmanagement auf den Weg gebracht.
Jetzt, kurz vor dem 1. Mai, fängt man an zu planen, während es andernorts längst funktioniert.
Woran liegt es, dass das so lange gedauert hat?
Weil der Senat verkehrspolitisch nichts zustande kriegt. Weil er keine Visionen hat.
Gibt es überhaupt einen Bedarf für solche Verbindungen? Das Grenzgebiet ist ja auf beiden Seiten dünn besiedelt.
Natürlich gibt es Bedarf. Manchenorts, zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice, liegt es ja auf der Hand. Da hätte man schon längst die Straßenbahn über die Oder führen und ein gemeinsames Ticket realisieren können.
Nun sagt der VBB, wenn der Bedarf ermittelt ist, will man für den Streckenausbau, zum Beispiel nach Gorzów, Mittel aus dem EU-Strukturfonds beantragen. Ist das realistisch?
Natürlich. Die Mittel stehen gerade auch für grenzüberschreitende Regionen zur Verfügung. Aber warum so lange warten? Auf den bestehenden Strecken kann man den Regionalverkehr schon heute bestellen. Wenn ich wirklich grenzüberschreitenden Verkehr will, dann muss ich den auch anbieten.
Die Bahn verweist immer wieder auf zu niedrige Auslastungen bei bestimmten Strecken. Das soll nun offenbar vermieden werden.
Der Regionalverkehr wird immer noch von Berlin und Brandenburg bestellt. Das muss man nicht bei der Bahn tun, das kann man auch bei Connex bestellen. Entscheidend ist der politische Wille. INTERVIEW: UWE RADA
Fotohinweis: MICHAEL CRAMER, 54, Abgeordneter seit 1989, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen
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