: Empfänger noch immer unbekannt
Auch der Pariser Prozess gegen den Elf-Konzern kann bisher nicht erhellen, wer in der Leuna-Affäre geschmiert wurde
PARIS taz ■ Die Summen, die bei der Privatisierung der Raffinerie von Leuna und des Tankstellennetzes Minol als „Kommissionen“ flossen, könnten manches Loch in den Sozialkassen stopfen. Der damals staatliche französische Mineralölkonzern „Elf“ zahlte allein 39 Millionen Euro an zwei „Lobbyisten“, die angeblich in Bonn, Sachsen-Anhalt und anderswo für die Anbahnung des Geschäftes sorgten. Hinzu kamen 2,3 Millionen Euro als „Überweisungsgebühren“. Der beteiligte Thyssen-Konzern steuerte zusätzlich 6,5 Millionen Euro bei.
Dass diese rund 47 Millionen Euro Ende 1992 und Anfang 1993 geflossen sind, ist unbestritten. Doch es ist dem Pariser Strafgericht, das sich in dieser Woche mit Deutschland, dem teuersten Schmierkapitel aller Elf-Affären befasst, nicht gelungen, herauszufinden, in welchen Kassen dieses Geld letztlich gelandet ist. Das verhinderten die Angeklagten, ihr Dokumentenmangel, ihre Gedächtnislücken und ihre bereits in anderen Kapiteln des Prozesses benutzte Taktik, allenfalls Personen zu belasten, die bereits tot sind – wie zum Beispiel Exstaatspräsident Mitterrand. Ansonsten beließen sie es bei vagen Andeutungen.
Die Hauptpersonen dieser Woche, der Franzose Pierre Lethier und der Deutsche mit den guten CDU-Kontakten, Dieter Holzer, wollen ihr Honorar (15 Millionen Euro für Lethier und 24 Millionen für Holzer) komplett für sich behalten haben. Politiker oder andere Personen will keiner von beiden bestochen haben. Der 61-jährige Holzer bekennt sich – in ausgezeichnetem Französisch – als „leidenschaftlicher Gegner von Korruption“. Dummerweise können die „Lobbyisten“ keine Belege beibringen. Der Franzose Lethier hat sein Honorar nicht deklariert und besitzt nur Verträge mit Pünktchen und Balken statt Zahlen. Der Deutsche, der während seiner Elf-Mission ein Büro mit vier Mitarbeitern in Bonn eröffnet haben will, ist nicht in der Lage, einen Mietvertrag und Arbeitsverträge vorzulegen.
Holzer will im Zuge seines Lobbyings unter anderem mit dem damaligen Umweltminister Klaus Töpfer und Bundeskartellamtschef Dieter Wolf gesprochen haben. Das Bundeskartellamt, sagt Holzer, sei besonders schwer für jene Privatisierung zu gewinnen gewesen. Holzer empfindet sich als weit unter Wert honoriert. Ohne ihn hätte Elf die 2 Milliarden Mark Subventionen in Deutschland nicht bekommen, meint er.
In Paris hält ihm Staatsanwältin Marie-Christine Daubigney entgegen, dass die Höhe der Subventionen für die Leuna-Minol-Privatisierung dem Durchschnitt der damals in Ostdeutschland gezahlten Industriesubventionen entsprächen. Im Widerspruch zu der Version der beiden „Lobbyisten“ steht auch, dass das französische Geschäft schon lange vor Beginn der „Lobbyisten“-Mission politisch auf höchsten Ebene beschlossen war. Es existierte vorher sogar bereits ein Rahmenvertrag zwischen Treuhand und Elf. Ebenso ärgerlich wie belastend für die beiden ist auch, dass der damalige Elf-Chef Le Floch-Prigent vor Gericht erklärte, bei solchen „Operationen“ werde „immer“ politisch geschmiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen