: Der Scheich im Hintergrund
In Flensburg versprechen Investoren 5.000 Arbeitsplätze in einer Batteriefabrik. Die soll auf dem ehemaligen Gelände der Handy-Herstellers Motorola entstehen. Doch die Gewerkschaften warnen trotz Jobgarantie davor, dort anzuheuern
Motorola ist ein international agierender Konzern mit dem Schwerpunkt mobile Telekommunikation. Zu ihm zählen die Sparten Halbleiter, Funk, TK-Lösungen, Mobiltelefone, Computersysteme, Breitbandkommunikation, Telematik sowie Kfz- und Industrie-Elektronik. Die Gesellschaft erzielte 2004 mit rund 2.500 Mitarbeitern einen Umsatz von 4,3 Milliarden Euro. 2007 beschloss die Konzernleitung, das Handy-Werk in Flensburg mit 700 Beschäftigten, das zuvor mit Subventionen aufgebaut worden war, stillzulegen. Die Gründung einer Transfergesellschaft war Bestandteil des Sozialplanes. KVA
VON KAI VON APPEN
Einerseits hört sich alles wie ein pünktliches Weihnachtsgeschenk an – andererseits klingt vieles so geheimnisvoll, dass es kaum wahr sein kann: 5.000 neue Arbeitsplätze versprechen die Inhaber der frisch gegründeten Firma „MS11 Energy GmbH“ der krisengeschüttelten Region Flensburg. Die neuen Beschäftigten der Batteriefabrik sollen für ihren Job 5.000 Euro im Monat bei einer 40 Stundenwoche bekommen – und immerhin noch 4.000 Euro, wer nur 30 Stunden die Woche arbeiten möchte. Für die Flensburger IG Metall klingt das alles sehr ungewöhnlich. „Ich rate allen, die dort anfangen“, so IG Metall-Sekretär Gregor Rölke, „noch keinen Kredit auf das Gehalt aufzunehmen“.
Die Investoren sind zum Teil keine Unbekannten. So sollen vor einem Jahr nach taz-Informationen mehrere der Inhaber bei der Schließung des Handy-Logistik-Werks Motorola Interesse gezeigt haben, die Produktionsstätten zu erwerben. Es war sogar bereits ein Kauf-Vorvertrag zur Übernahme der Hallen unterzeichnet worden, der jedoch platzte, weil die Finanzierung scheiterte.
Schon damals sind die Investoren einer angeblichen Hightech-Fabrik für Akkumulatoren und Batterien bei der Wirtschaftsförderung des Landes Schleswig-Holstein vorstellig geworden, um Subventionen für die Schaffung von 5.000 Jobs einzustreichen. „Es war alles sehr komisch, es gab kein Konzept“, sagt der Sprecher des Kieler Wirtschaftsministeriums, Harald Haase. „Angeblich hatten sie einen saudischen Scheich als Geldgeber“, erinnert sich Haase. Das habe sich aber wohl dann zerschlagen: „Es ist nie ein Antrag auf Wirtschaftsförderung gestellt worden“, sagt der Ministeriumssprecher. „Seitdem sind sie nicht mehr auf dem Radarschirm aufgetaucht.“
Nun sind die unheimlichen Unternehmer doch wieder am Horizont gesichtet worden. Dieser Tage ist eine Firma „MS11 Energy“ formell mit einem Grundkapital von 25.000 Euro als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ins Handelsregister eingetragen worden. Zwei Polen und vier Deutsche treten als Gesellschafter auf, die nach IG Metall-Recherchen allesamt in der Region Flensburg leben. Skeptiker fragen sich, ob es sich dabei lediglich um Strohleute für finanzkräftige Hintermänner handelt. „Ein Scheich, der in der Finanzkrise 5.000 Arbeitsplätze schafft, ist uns immer willkommen“, witzelt Wirtschaftsministeriums-Sprecher Haase.
Die Firma Energy hat bereits bei einer Spedition Hallen gegenüber dem ehemaligen Motorola-Gelände angemietet, die zuvor von dem Handy-Produzenten genutzt worden waren. Insbesondere Arbeitslosen bietet das Unternehmen zumindest auf den ersten Blick eine hervorragende Perspektive: Job-Bewerber erhalten gleich einen schriftlichen Arbeitsvertrag zum 1. Dezember mit hervorragenden Konditionen. Aber auch an ehemaligen Danfoss- und Motorola-Mitarbeitern, die nach ihrer Entlassung in Transfergesellschaften wechseln mussten, zeigt Energy Interesse.
Neue Mitarbeiter können eine Arbeitsplatzgarantie für fünf Jahre bekommen, wenn sie eine „Verschwiegenheitsverpflichtung“ unterzeichnen. Darin verpflichtet sich der Mitarbeiter, gegenüber „Außenstehenden über Produktionsinterna und Entwicklungen der Firma MS 11 Energy“ keine Angaben zu machen oder „Dokumente oder Konstruktionszeichnungen aus den Betriebsräumen zu entfernen“, so heißt es. „Bei Zuwiderhandlungen erfolgt eine Versetzung in einen anderen Arbeitsbereich ohne Zugang zu sicherheitsrelevanten Tätigkeiten und Informationen.“
Der Chef der Transfergesellschaft Küste Motorola, Oliver Fieber, rät den Mitarbeitern, die zurzeit im Rahmen der Qualifizierung und Jobsuche einen Probe-Arbeitsplatz in Dänemark haben, sich von der Energy-Offerte „nicht locken zu lassen“. Eine Handvoll Mitarbeiter, deren Transfer-Maßnahmen ausgelaufen sind, mussten das Job-Angebot indes annehmen, da sie andernfalls eine Sperre bei der Arbeitsagentur riskieren würden. Fieber hat ihnen jedoch den Hinweis mit auf den Weg gegeben, dass nicht sichergestellt sei, „dass sie für ihre Arbeitsleistung auch ihr Geld bekommen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen