Referendum gegen Chávez fraglich

In Venezuela kassiert die Wahlbehörde über eine Million Unterschriften für ein Referendum gegen Präsident Chávez.Die Unterstützer einer Amtsenthebung sollen nochmals unterschreiben. Opposition protestiert gegen die Entscheidung

VON INGO MALCHER

Was Francisco Carrasquero, der Chef der Wahlbehörde (CNE), gestern nach mehrstündiger Verzögerung im staatlichen Fernsehen Venezuelas verkündete, missfiel den Gegnern von Präsident Hugo Chávez sehr: Nur rund 1,8 Millionen der von ihnen Ende vergangenen Jahres abgegebenen Unterschriften, mit denen ein Referendum über die Amtsenthebung von Chávez erzwungen werden sollte, seien gültig – zu wenig, um den umstrittenen Präsidenten abzusetzen.

Spätestens am 25. März will die Wahlbehörde die Überprüfung der fraglichen Unterschriften abgeschlossen haben und endgültig entscheiden, ob es zu einem Referendum kommt. Pikant genug: Es war Chávez selbst, der die Möglichkeit zur Abwahl eines Präsidenten nach Hälfte seiner Amtszeit – also im kommenden August – erst in die Verfassung geschrieben hat.

Die Chávez-Gegner hatten nach eigenen Angaben 3,4 Millionen Unterschriften in Lastwagen beim CNE angeliefert. Schon 2,4 Millionen reichen aus, um ein Referendum zu erzwingen. Doch die Wahlbehörde habe zahlreiche Unterschriften nicht anerkennen können, sagte Carrasquero, da die Unterzeichner nicht im Wahlregister eingetragen seien, minderjährig seien oder die Bögen Formfehler aufgewiesen hätten. Selbst einige Ausländer seien auf den Listen erschienen, obwohl sie überhaupt nicht wahlberechtigt sind.

An der Echtheit von weiteren 800.000 Unterschriften hat der CNE Zweifel und will sie überprüfen. Deshalb sollen in Zeitungsanzeigen die Ausweisnummern der angezweifelten Unterzeichner veröffentlicht werden, damit diese sich bei der Wahlbehörde melden und ihre Unterschrift erneut leisten.

Internationale Beobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und des Carter Center kritisierten die Kriterien, die die Wahlbehörde angewandt habe: Wenn die Unterschriften auf den Bögen und die persönlichen Daten des Unterzeichners in zwei verschiedenen Handschriften eingetragen wurden, sei dies kein Anlass zum Zweifel an deren Echtheit.

Julio Borges, Sprecher der Opposition, ging mit der Wahlbehörde hart ins Gericht: „Entscheidungen wie diese führen dazu, dass die Leute glauben, ihr Wille werde nicht respektiert.“

Schon während des Wartens auf Carrasqueros Auftritt lieferten sich Chávez-Gegner Scharmützel mit der Polizei und blockierten Straßen. In der Nacht wurden auf der Plaza Altamira, einem Sammelpunkt der Opposition, Schüsse auf Nationalgardisten abgefeuert, berichteten mehrere Fernsehsender.

Bei ihrem Kampf gegen Chávez streuen seine Gegner auch Gerüchte. So meldete der private Fernsehsender Globovisión, dass CNE-Präsident Carrasquero in Kürze das Land mit einer Maschine der kubanischen Fluglinie Cubana verlassen werde – was eine reine Erfindung war. Auch hieß es, das Benzin sei knapp geworden in Venezuela – eine Nachricht, die für erhebliche Unruhe sorgte, obwohl sie kurz darauf offiziell dementiert wurde.