piwik no script img

„Wer sich nicht entwickelt, der tut mir Leid“

Klaus Uwe Benneter flog 1977 wegen Linksabweichlertums aus der SPD. Heute stützt der Bundestagsabgeordnete die Agenda 2010 von Kanzler Schröder, die auch die FDP beklatscht. Für den SPD-Streit auf Landesebene macht er zu abstrakte Formulierungen im Leitantrag verantwortlich

von STEFAN ALBERTI und ULRICH SCHULTE

taz: Herr Benneter, können Sie uns heute noch sagen, wofür der Stamokap-Flügel stand?

Klaus Uwe Benneter: Da kramen Sie in alten Geschichten, in Flügelkämpfen bei den Jusos Mitte der 70er. Stamokap stand für staatsmonopolistischen Kapitalismus. Wir wandten uns damit gegen Monopolisierungstendenzen in der Wirtschaft und deren undemokratische Einflüsse auf Parlamente und Regierungen.

Als Juso-Chef waren Sie exponierter Vertreter dieses marxistisch orientierten Flügels, 1977 flogen Sie wegen „Linksabweichlertums“ aus der SPD. Heute stützen Sie ein Kanzlerprogramm, das die FDP beklatscht. Ist das Ihr Marsch durch die Institutionen?

Sicher auch. Wer sich in 25 Jahren nicht entwickelt, wenn sich um ihn herum alles Mögliche verändert, der tut mir Leid. Einfach nur am Überkommenen festhalten zu wollen, geht nicht mehr. Wir haben uns über Jahre geweigert, die strukturellen Probleme anzugehen, und haben immer darauf gehofft, dass wir uns mit einem Stückchen konjunkturellem Wachstum über die nächste Hürde retten. Damit ist jetzt Schluss.

Sie haben jüngst gesagt, alle neun Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten würden die Agenda 2010 unterstützen. Ihrem Kollegen Eckhardt Barthel aus Tempelhof-Schöneberg fehlt hingegen in dem Papier ein Lastenausgleich zwischen Arm und Reich. Das klingt gar nicht nach fest geschlossen.

Was ich gesagt habe, war auf das Ergebnis bezogen, nicht auf einzelne Facetten, die wir noch gar nicht alle ausdiskutiert haben.

Wieso lehnen Sie es ab, die Basis über die Mitgliederbefragung einzubeziehen?

Weil ein so umfassendes Reformpaket keine Frage ist, die sich mit Ja oder Nein beantworten lässt. Es war sicher ein Fehler, dass nicht von vorneherein ein Sonderparteitag einberufen wurde, um breit zu diskutieren. Aber eine Mitgliederbefragung ist der falsche Weg.

Die SPD streitet auch auf Landesebene. Beim Landesparteitag am 16. und 17. Mai stehen Kampfabstimmungen an. Franz Müntefering kommt dann vorbei. Geben Sie ihm doch mal ein paar Tipps, wie er die Seele der Berliner Genossen streicheln muss.

Er müsste nur seine gute Rede wiederholen, die er nach Schröders Bundestagsansprache am 14. März gehalten hat.

Ein netter Tipp, aber leider kein Berlin-spezifischer.

Er könnte schon darauf hinweisen, dass es den Berlinern wegen der hohen Landesschulden schon sehr viel deutlicher ist, dass gehandelt werden muss.

Von Landeschef Peter Strieder ist in dieser Debatte bislang kaum etwas zu hören. Es sieht so aus, dass er seine Vize Annette Fugmann-Heesing, beim umstrittenen Leitantrag federführend, im Regen stehen lässt.

Peter Strieder lässt da niemanden im Regen stehen. Vergangenen Sommer ist ihm noch angekreidet worden, er gehe einsame Wege, als er seine Vorstellungen von der SPD als Hauptstadtpartei vorlegte. Dieses Mal hat er genau das Richtige getan, indem er mit dafür sorgte, dass beim Leitantrag eine Kommission unter Frau Fugmann-Heesing tätig wurde, die mit Leuten aus dem ganzen Parteispektrum besetzt war.

Sagen Sie uns doch jeweils kurz, wie Sie zu den drei strittigen Punkten stehen. Erstens: Ist die Staatsquote tatsächlich zu hoch, wie es im ursprünglichen Leitantrag heißt?

Das war viel zu abstrakt formuliert – übrigens ein grundsätzlicher Fehler des Leitantrags. Die Beispiele in Berlin zeigen, dass ich mich immer im Einzelfall fragen muss, wo der Staat etwas günstiger und gerechter macht als Private. Wenn er das nicht kann, muss ich mir die richtige Art und Weise einer Privatisierung überlegen.

Das bringt uns zum zweiten Streitpunkt: Befürworten Sie Privatisierungen von Unternehmen der Daseinsvorsorge wie BSR oder BVG?

Ich halte das nicht für ausgeschlossen, das muss man sich genau angucken. Wir haben ja nun versucht, die unsägliche Bankgesellschaft zu verkaufen …

nicht gerade ein Unternehmen der Daseinsvorsorge.

Oh, über die Sparkassen schon ein Stück weit. Da haben wir auf jeden Fall gemerkt, dass uns die Bieter übers Ohr hauen wollten. Das zeigt, dass sehr viele unterwegs sind, die meinen: Berlin ist mehr als pleite, da können wir ein Schnäppchen machen. Darauf können wir uns aber nicht einlassen. Von heute aus betrachtet, muss man sich auch überlegen, ob wir 1998 die Wasserbetriebe auf die richtige Art und Weise teilprivatisiert haben.

Dritter Streitpunkt: Einschnitte im öffentlichen Dienst. Tragen Sie die mit?

Den öffentlichen Dienst versuchen wir schon seit gut zehn Jahren unter dem Stichwort Verwaltungsreform nach vorne zu bringen. Das wird dazu führen, dass wir da wesentlich weniger Leute brauchen als derzeit.

Im Leitantrag stehen auch ambitionierte Dinge wie „Wissen als Schlüsselressource“. Der SPD-Finanzsenator aber will 200 Millionen bei den Unis sparen. Das macht doch die Diskussion zu einer Scheindebatte: Was nutzen Parteibeschlüsse, wenn letztlich die Haushaltsmisere den Kurs diktiert?

Eine Partei kann grundsätzlich natürlich immer darstellen, was wünschenswert wäre. Aber bei einer Partei, die gleichzeitig führende Regierungspartei in Bund und Land ist wie wir, reicht das nicht aus: Die muss sich auch mit der Wirklichkeit auseinander setzen.

Und das heißt konkret?

Das bedeutet etwa bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen: Wenn ich einen verlässlichen, potenten Investor hätte, der die GSW für ein ausreichendes Geld kaufen würde, dann wäre es angebracht, sie abzugeben.

Auch wenn der Parteitag etwas anderes festlegt?

Es wird in dem Leitantrag nicht drinstehen, dass die GSW nicht verkauft wird. Diejenigen, die das wollen, werden sich damit nicht durchsetzen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen