: Erinnerung im Opa-Cup
Das Spaßturnier der Tennissenioren um Boris Becker, John McEnroe und Co. droht dem Hamburger Tennis Masters der Profis den Rang abzulaufen. Deutschland sen. schlägt USA sen. mit 3:1
von OKE GÖTTLICH
„Patrick hat mir schon damals immer nicht gelegen.“ Boris Becker spricht, als wenn er ernsthaft ein verlorenes Spiel so analysieren müsste, um sich vor einem Millionenpublikum für diese Niederlage zu rechtfertigen. Ihm scheint entgangen zu sein, dass nur übertriebene Tennisromantiker nach realen Erklärungen für die 3:6, 5:7-Niederlage gegen Patrick McEnroe dürsten. Ehrlicherweise fügte Becker hinzu, dass sein Körper nach der Partie gegen John McEnroe – die am Donnerstag erst um 22.50 Uhr mit einem Sieg beendet wurde – nicht mehr zu einer solch schnellen Regeneration fähig sei, wie noch vor einigen Jahren.
Becker sagt dies wehmütig. Und viele seiner Eskapaden der vergangenen Jahre sehen Begleiter des ehemaligen Profis eben darin begründet, dass Becker kein prominenter Tennisspieler mehr ist, sondern einfach Celebrity für Gesellschaften auf der Suche nach ein wenig Glanz. Insofern tut der Veranstalter Becker dem verstaubten Tennissport einen Gefallen. Und wenn es so einfach funktioniert, wenn er neben der Investition von 1,5 Millionen Euro seiner Agentur BCI und der Ace Group des ehemaligen Bäckers Heiner Kamps selbst das tut, was er ohnehin am liebsten treibt – nämlich haarige Filzbälle zu prügeln – ist allen gedient.
Fast allen. Denn ob die derzeitig wahren Profis, die erst ab der kommenden Woche am Rothenbaum aufschlagen werden, in den ersten Tagen auch nur ansatzweise die Zuschauerzahlen (12.000 und 10.000) erreichen können wie die racketschwingenden Erinnerungsmaschinen aus der goldenen Vergangenheit des Sports in den vergangenen zwei Tagen, bleibt abzuwarten. Denn es scheint, als ob die Zuschauer tatsächlich lieber wegen des 44-jährigen John McEnroe in das Stadion gehen, als aufgrund der zeitgenössisch Professionellen.
Neben dem Highlight Becker gegen „Big Mac“ konnte auch die entscheidende Partie zum 3:1-Endstand für Deutschland zwischen Michael Stich und McEnroe mit guten Ballwechseln und typischen Pöbelattacken des Amerikaners für Freude bei den ZuschauerInnen sorgen. War es zunächst McEnroe beim Stand von 5:4 im ersten Satz, der erst durch die Fütterung von Bananen und des Einspielens des Songs „Born to be wild“ nach einer Fehlentscheidung weiterspielte, musste auch Stich ein Spiel später einen fehlerhaft Aus gegebenen Ball mit kurzzeitiger Spielverweigerung kommentieren.
Dabei machen die Altstars ihre Aufwartung weniger zur Präsentation ihres eigenen Egos, als vielmehr für eine publikumswirksame Hilfestellung für den darbenden Sport. Einen Hauptsponsor konnten die neuen Macher des Herrenturniers – das der Damen wurde bereits für drei Millionen Euro nach Philadelphia verkauft – aber noch nicht präsentieren. „Wir wollen in diesem Jahr erst eine Basis legen“, sagt Becker.
Jetzt muss Chairman Becker nur aufpassen, das es dem Rothenbaum nicht künftig ähnlich ergeht wie den Machern der Berlin Open geht. Das Frauenturnier hofft mit einem Schaukampf von Steffi Graf zukünftig wieder einen TV-Partner gewinnen zu können. Doch ARD-Redakteur Jochen Sprentzel sagt: „Den Schaukampf sicher gern. Aber das Turnier?“
Stich - P. McEnroe 7:6, 6:3. Becker – J. McEnroe 3:6, 6:1, 7:6. Becker – P. McEnroe 3:6. 5:7. Stich – J. McEnroe 7:6, 4:6, 7:6Neben Marcelo Rios und Vorjahressieger Marat Safin hat auch der Weltranglistenerste Andre Agassi die Teilnahme in Hamburg abgesagt.
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