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Morscher Baum fällt

Naturschutzverbände protestieren gegen Pläne, den Senat auf Kosten der Umweltbehörde zu verkleinern. Gesundheit zur Sozialbehörde

GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch: „Der Rechts-Senat bewegt sich zurück in die Betonzeit“

von PETER AHRENS

Ein Baum wird symbolhaft zersägt, der Stamm ist allerdings schon seit längerer Zeit morsch. Mehrere Umweltverbände haben gestern vor dem Rathaus mit ihrer Baumstammaktion gegen das Absägen der Umweltbehörde protestiert. Die soll, wenn man den Gerüchten glauben darf, künftig in die Bau-, Verkehrs- und Stadtentwicklungsbehörde eingegliedert werden. Damit wäre Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seinem Ziel ein Stück näher gekommen, den künftigen Senat zu verkleinern – indem die Behörde für Umwelt und Gesundheit aufgelöst würde.

Das Gesundheitsressort könnte demnach zurück unter das Dach der Sozialbehörde wandern, womit die gute, alte sozialdemokratisierte BAGS (Behörde für Gesundheit, Arbeit und Soziales) fast wieder auferstanden wäre. Die BAGS galt der einst oppositionellen CDU als Synonym für roten Filz. Die Zerschlagung der Behörde gehörte zu den vorrangigen Zielen des 2001 zum Bürgermeister gewählten von Beust. Leicht entschlackt kommt die BAGS nun wieder zu Ehren, wenn sich diese Pläne bewahrheiten.

Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) hätte in einem solchen Fall den Anspruch, von gleich zwei Staatsräten Unterstützung zu erhalten. Neben dem gegenwärtigen SPD-Staatsrat Klaus Meister wird als Kompagnon für den Bereich Gesundheit der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dietrich Wersich ins Gespräch gebracht.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sieht vorrangig das Einquartieren des Umweltschutzes im Bauressort äußerst kritisch: Von Beust solle sich bei seinen Plänen „nicht einseitig von der Handelskammer beraten lassen“, so BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Die Handelskammer hatte genau diesen Behördenzuschnitt verlangt.

Während die Kaufleute-Lobby offenbar im Senat Gehör findet, hat von Beust einem Gesprächswunsch der Umweltverbände bis heute nicht entsprochen. „Fehlender politischer Stil“, kommentiert Braasch. Vorwürfe kommen auch von GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. In Hamburg solle „ökologische Sichtweise im Senat mundtot gemacht werden“, so Goetsch: „Hier geht es zurück in die Betonzeit.“ Wer die Umweltperspektive aus dem Senat verbanne, „versündigt sich an unseren Kindern und Kindeskindern.“

Ähnlich große Worte findet auch Naturschutzbund-Geschäftsführer Stefan Zirpel: „Stirbt die Umweltbehörde, stirbt auch ein Stück der grünen Identität Hamburgs und damit ein Stück Lebensqualität in unserer Stadt.“ Von Beust verstoße mit solchen Überlegungen gegen die eigenen Pläne von der Wachsenden Stadt, nach denen Umwelt und Lebensqualität gleichberechtigt neben wirtschaftlichen Belangen gewichtet würden.

Mit einem Brief wendet sich auch der Zukunftsrat in dieser Sache an den Bürgermeister: Die Wirtschaftsbehörde und die Sozialbehörde bedürfen, so der Ratssprecher Jochen Menzel, „einer eigenständigen Kraft, die im Senat auf gleicher Augenhöhe für die Belange der Umwelt eintritt“. Dies könne nur durch eine eigenständige Behörde geschehen.

Rückendeckung für diesen Standpunkt gibt es zudem aus einer ganz anderen politischen Ecke: Der noch amtierende Umweltsenator Peter Rehaag, der für die Schill-Partei in den Senat gekommen ist, riet von Beust ebenfalls davon ab, die Behörde abzuschaffen. Rehaag, der seine politische Zukunft in der CDU sieht, warnte den Bürgermeister in der WELT vor einem Umbau des Behördenapparates. Rehaag selbst hatte in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit allerdings schon dafür gesorgt, dass die Umweltbehörde im Senat zuletzt kaum noch einen irgend gearteten Einfluss ausübte.

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