: Abgasmessung als ABC-Schutz
Nach dem Terror von Madrid warnt die Feuerwehr vor Mängeln bei der ABC-Gefahrenabwehr – die Spezialfahrzeuge, von Innenminister Otto Schily höchst eilig angeschafft, erweisen sich als Fehlgriff
AUS BERLIN DANIEL SCHULZ
Während die Bundesregierung nach den Anschlägen von Madrid über neue Sicherheitsmaßnahmen diskutiert, klagen Feuerwehrleute über eklatante Probleme beim bestehenden Katastrophenschutz. Sie melden ständige Ausfälle der Spezialfahrzeuge, mit denen sie im Ernstfall atomare und chemische Verunreinigungen erkennen sollen.
Unter dem Eindruck des 11. September 2001 schenkte der Bund den Landkreisen im Frühjahr 2002 mindestens je ein ABC-Erkundungsfahrzeug. 40 Millionen Euro gab Berlin für insgesamt 340 Fiat Ducato mit Allradantrieb und Spezialausrüstung aus. Bund und Länder seien für Anschläge gerüstet, sagte Innenminister Otto Schily damals. Panik sei nicht angebracht.
„Panik wollen wir auch nicht verbreiten“, sagt Udo Bischof, stellvertretender Leiter der Feuerwehr Wittenberge. „Doch unser Wagen kann seit einem halben Jahr nicht eingesetzt werden.“ Der Messcomputer ist kaputt, Ersatz kommt nicht. Bischof beklagt bei dem Fahrzeug „Konstruktionsfehler und eine störanfällige Technik“.
So ist das Fahrzeug mit einer Antenne ausgerüstet, damit es per Satellit geortet werden kann. Diese Antenne muss durch eine Dachluke gesteckt werden, die dann offen bleibt. Genau darunter aber steht der Computer. „Das ist schön, wenn es regnet“, sagt Bischof. Die zwei Schutzanzüge für die Besatzung liegen gefaltet in Regalen – Bruchstellen sind vorprogrammiert. Zur Messung von chemischen Stoffen lässt sich ein Schlauch aus dem Auto schieben – leider nur an einer Stelle, die sich über dem Auspuff befindet. Die Folge: verqualmte Messergebnisse.
Dazu kommt, dass die Fahrzeuge vor der Auslieferung schon zwei Jahre umherstanden. „Wegen Software-Problemen und defekter Teile sind die nicht ausgeliefert worden“, sagt ein Insider. „Dann musste alles schnell gehen.“ Von 16 Fahrzeugen sollen in Brandenburg oft 7 bis 11 ausfallen. Mit der Messtechnik hat nicht nur die Wittenberger Feuerwehr ein Problem. „Das ist die Achillesferse“, sagt Frank Kliem, Brandmeister des Kreises Oberhavel. Auch in der Prignitz gibt es Schwierigkeiten.
Unklar ist, wie viele Fahrzeuge in Brandenburg betroffen sind. Eigentlich sollten die Kreise ausgefallene Autos dem Innenministerium melden, doch dort liegen keine Zahlen vor. Die Prüfstelle Borkheide ist landesweit für die Reparatur der Fahrzeuge zuständig. Der technische Dezernent Martin Baumgart kennt die Probleme: „Die Messtechnik ist empfindlich“, sagt er. Dennoch schätzt er die Zahl der defekten Autos nicht so hoch ein, wie es manche Feuerwehrleute tun. „7 bis 11 Ausfälle kann ich nicht bestätigen“, sagt Baumgart. „Pro Monat reparieren wir zwei bis drei Fahrzeuge.“
Baumgart sieht eher Bedienungsfehler als Ursache. Die Feuerwehrleute seien keine Wissenschaftler. „Die Länder sind mit der Ausbildung etwas in Verzug geraten“, sagt Peter Kaufhold vom Bundesverwaltungsamt, das für die Anschaffung der Fahrzeuge zuständig war. Die meisten Feuerwehrleute arbeiten ehrenamtlich. Kaufhold sagt, es sei schon ein Risiko gewesen, „den Katastrophenschutz in die Hände von Laien zu legen“. Doch auch er hat „nicht wenige Problemmeldungen“ zum ABC-Erkundungswagen bekommen. Wie viele Fahrzeuge deutschlandweit einsatzfähig sind, weiß das Bundesverwaltungsamt nicht. Die Kreise müssen kaputte Autos nicht melden.
Biologische Kampfstoffe kann der ABC-Erkunder ohnehin nicht aufspüren: Labore passen nicht in einen Transporter. Selbst Spürpanzer vom Typ Fuchs verfügen nur ansatzweise über diese Technik.
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