: Schmerzen hinter dem Lächeln
Die Karriere des deutschen Eistanzpaares Kati Winkler und René Lohse ist geprägt von Verletzungen. Auch bei der WM in Dortmund treten sie nicht in Bestform an
DORTMUND taz ■ „Midnight Blues“ wird heute beim Pflichttanz gespielt. Blues, Töne für die blassblauen Stunden des Lebens, und irgendwie das passende Programm für Kati Winkler und René Lohse. Als die besten deutschen Eiskunstläufer am Tag vor WM-Beginn am Dortmunder Hauptbahnhof eintrafen, war das eine Ankunft von symbolhafter Bedeutung: Den letzten Zug erwischt mit Müh und Not. Im Januar hatte sich Lohse einen Teilabriss des Innenbands im linken Knie zugezogen, und eine Weile lang war fraglich gewesen, ob die Zeit bis zur WM reichen würde. Aber nun sind sie da, und allein deshalb geht es ihnen gut. Sie sind einfach nur froh, es geschafft zu haben.
Hundert Prozent in Ordnung sei das Knie noch nicht, sagt Lohse (30), vor allem bei tiefen Bewegungen gebe es noch gewisse Behinderungen. Aber zu jenen Dingen, die die beiden gelernt haben, gehört der Umgang mit Schmerzen und sie hinter einem Lächeln zu verstecken. Völlig ohne Verletzungen kommt selbst im Eistanz kaum ein Paar durch die Karriere, aber kein Paar der Weltklasse hat es zuletzt so erwischt wie Winkler/Lohse. Ein Kreuzbandriss zu Beginn des Winters 2001/2002 legte Lohse für Wochen lahm, er schaffte es zwar, zu den Olympischen Spielen in Salt Lake City wieder auf die Beine zu kommen, aber dabei ging es eher um den olympischen Traum als um einen aussichtsreichen Auftritt im Kreis der Besten. Kaum wieder richtig fit, zog er sich im Sommer bei einem Unfall mit dem Mountainbike eine Schulterverletzung zu, und mit leichter Verspätung starteten sie in den folgenden Winter. Doch diesmal war es Kati Winkler (30), die Probleme hatte: Wegen einer Knochenhautentzündung am Bein wurde nichts aus dem WM-Start 2003.
Natürlich haben sie sich gefragt: warum immer wir? Aber inzwischen ist Lohse zu dem Schluss gekommen: „Die Verletzungen zeigen, dass wir mit unseren Sachen ans Limit gegangen sind. Wir waren halt mutig und risikofreudig.“ So hat es viele Umleitungen, Hindernisse und Stoppschilder gegeben auf dem Weg nach oben. Als Winkler/Lohse in ihrem besten Winter vor vier Jahren bei der EM Fünfte und wenig später bei der WM Sechste wurden, da hatte es noch so ausgesehen, als sei in absehbarer Zeit bei einer großen Meisterschaft ein Platz auf dem Podium möglich. Fünf, vier, drei … – aber so ging es nicht weiter. Jedes Mal, wenn sie das Gefühl gehabt hätten, das Richtige zu tun, sagt Lohse, sei wieder eine Verletzung dazwischen gekommen. Es gab keinen besseren Winter mehr als jenen des Jahres 2000.
Kati Winkler versichert, sie mache sich keine Gedanken darüber, was nun in Dortmund herauskommen werde, und Lohse ergänzt: „Wir können ja nichts erwarten. Wir werden dann schon sehen, wo sie uns einordnen.“ Als sie vor ein paar Wochen als traurige Gäste bei der EM in Budapest den Konkurrenten zusahen, hatten sie den Eindruck, durchaus mithalten zu können. Diese Erkenntnis war das einzig Positive am Ausflug nach Budapest, aber ob sie ihnen in Dortmund helfen wird?
Egal. Sie freuen sich auf die WM, und sie freuen sich auf das gute Gefühl, vor deutschem Publikum laufen zu können. Und dann? Wird die Kür am Freitagabend der letzte Tanz nach mehr als 15 Jahren sein, oder wird es noch einen gemeinsamen Winter geben? „Das werden wir bestimmt nicht hier entscheiden“, sagt Lohse, „das ist doch eine Entscheidung fürs Leben.“ Also erst mal der „Midnight Blues“, dann „Swing und Jive“ im Originaltanz und schließlich die Kür mit „Tag und Nacht“. Hört sich an wie ein Ausschnitt aus dem Leben. Und wie eine Beschreibung ihrer Karriere. DORIS HENKEL
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