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Grenzenlose Hilfe für Sexsklavinnen

Meistens können SozialarbeiterInnen Opfer von Menschenhandel nur bis zur Abschiebung unterstützen: Zwischen Essen und der Westukraine entsteht jetzt ein europaweit einzigartiges Netzwerk gegen den Frauenhandel

ESSEN taz ■ Christine Noll hat seit neuestem bessere Nachrichten für die Ukrainerinnen, die in der Essener Beratungsstelle „Nachtfalter“ ihre Hilfe suchen. An einem geheimen Ort, irgendwo in der Westukraine, finden die in Deutschland illegalen Frauen für drei Monate einen Schlafplatz, werden an Arbeits- und Ausbildungsplätze vermittelt und von der Polizei geschützt.

„Bislang hat unsere Hilfe an der Grenze aufgehört“, sagt die Leiterin des „Nachtfalters“. „Shelter“ heißt das gemeinsame Modellprojekt der Essener und der ukrainischen Caritas. „Eine Zusammenarbeit mit der Ukraine war schon lange bitter nötig“, sagt Christine Noll. Denn die Beratungsstelle für Prostituierte beobachtet schon seit Anfang der 90er, dass immer mehr Frauen und Mädchen aus den ehemaligen Sowjet-Republiken im Essener Rotlichtmilieu ausgebeutet werden. Sie kamen mit dem Traum von einem besseren Leben, angelockt von Versprechungen skrupelloser Menschenhändler. „Sie sollen dann erstmal die Kosten für ihre Anreise abarbeiten“, weiß Christine Noll. „In der Regel in Bordellen, zum Teil aber auch in Fabriken oder Wäschereien. Geld für ihren Knochenjob sehen sie nie – sie sind de facto Sklavinnen.“

Etwa 50 solcher Fälle betreut der „Nachtfalter“ jedes Jahr. Christine Noll macht sich trotzdem keine Illusionen über die Größenordnung des Menschenhandels im Ruhrgebiet und im übrigen Deutschland. „Die wenigsten Frauen trauen sich zur Polizei oder in Beratungsstellen“, sagt die Sozialarbeiterin. „Außerdem müssen sie ja dafür auch erstmal ihren Bewachern entkommen.“

Die Angst vor den deutschen Behörden hat vor allem eine Ursache: Die Frauen leben illegal in Deutschland – werden sie bei einer Razzia aufgegriffen, landen sie schnell wieder in ihrer Heimat. Und dort erwartet sie neben der Armut, der sie entfliehen wollten, oft auch die Ablehnung ihrer Freunde und Familien. „Die meisten der Abgeschobenen landen ruckzuck beim nächsten Menschenhändler“, sagt Andrij Waskowycz. „Sie haben keine Perspektive in der Ukraine.“ Zusammen mit Christine Noll hat sich der ukrainische Caritas-Präsident für das bislang einzige Frauenhaus in der Westukraine stark gemacht. Sie sind jedoch nicht bei der psychosozialen Betreuung stehen geblieben. Nach Essener Vorbild hat die ukrainische Caritas Polizei, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen an einen runden Tisch geholt. „Nur, wenn wir mit den offiziellen Stellen zusammenarbeiten, können wir effektiv gegen den ukrainischen Menschenhandel vorgehen“, sagt Andrij Wasko-wycz. „Wir streuen so landesweit Informationen über die Praktiken der Menschenhändler und wecken endlich bei den ukrainischen Behörden Verständnis für unsere Arbeit.“

Durch die Kooperation mit dem Essener „Nachtfalter“ sollen sich langfristig auch die Essener Polizei und die Ausländerbehörden informell vernetzen. Mit denen arbeitet der „Nachtfalter“ schon seit Jahren erfolgreich zusammen. „Wir lassen beispielsweise die Abschiebetermine so legen, dass die Frauen an dem entsprechenden Tag auch einen sicheren Schlafplatz haben“, sagt Christine Noll. Auch die evangelische Kirche in Essen beteiligt sich finanziell am neuen Projekt. „Shelter muss weltweites Vorbild werden“, sagt Superintendent Michael Heering.

MIRIAM BUNJES

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