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Wahlen in Afghanistan verschoben

Im September sollen Parlament und Präsident gleichzeitig bestimmt werden. Der ursprünglich geplante Termin im Juni ist angesichts von Problemen bei der Wählerregistrierung und der Sicherheitslage nicht haltbar. USA schicken Marineinfanteristen

KABUL ap/dpa ■ Wegen logistischer Probleme und Sicherheitsbedenken ist die für Juni anberaumte Wahl in Afghanistan auf September verschoben worden. Dann sollen der künftige Präsident und ein neues Parlament gleichzeitig bestimmt werden, wie der amtierende Staatschef Hamid Karsai gestern erklärte. Zwar hätte die Präsidentenwahl im Juni stattfinden können, die Parlamentswahl bedürfe jedoch größerer Vorbereitungen. Die Vereinten Nationen bestätigten dies und begrüßten die Entscheidung.

„Wir wollen beide Wahlen zusammen durchführen“, sagte Karsai, der im Juni 2002 von der großen Ratsversammlung Loja Dschirga zum Präsidenten gewählt worden war. Bislang haben sich allerdings nur 1,5 Millionen der schätzungsweise 10,5 Millionen Wahlberechtigten registrieren lassen. Nach UN-Angaben sind darunter lediglich 445.000 Frauen. Deshalb wurden immer wieder Zweifel laut, ob der Junitermin haltbar sei. Hinzu kommen die Sicherheitsprobleme: Allein seit Anfang dieses Jahres sind in Afghanistan 200 Menschen bei Anschlägen und Überfällen bewaffneter Extremisten getötet worden.

Der UN-Beauftragte für Afghanistan, Jean Arnault, erklärte, die Verschiebung gebe den Vereinten Nationen mehr Zeit für die Wählerregistrierung. Gleichzeitig könne die Nato ihre Friedensmission ausweiten. Zurzeit wird noch an einem Plan gearbeitet, wie die Wahlhelfer wirksam vor Übergriffen von Anhängern des gestürzten Taliban-Regimes geschützt werden könnten.

Ein Taliban-Sprecher bezeichnete die Verschiebung der Wahl als „Demütigung und Niederlage“ für Karsai und seine amerikanischen Helfer. Ihnen gehe es nur darum, die Afghanen vom heiligen Krieg abzubringen.

Vor allem im Süden und Osten des Landes, wo die Taliban ihre Hochburgen haben, befürchten die Vereinten Nationen eine massive Einschüchterung der Wähler. Andererseits müsse sich auch Karsai bemühen, seinen politischen Herausforderern eine faire Chance zu geben, betonte Arnault.

Die US-Streitkräfte gaben am Sonnabend in Kabul bekannt, dass die Vereinigten Staaten 2.000 Marineinfanteristen nach Afghanistan entsenden wollen. Sie sollen die dort bereits stationierten 13.500 Soldaten der Antiterrorkoalition – davon 11.500 aus den USA – bei der Suche nach mutmaßlichen Al-Qaida- und Taliban-Kämpfern unterstützen. Die US-geführten Truppen und die pakistanische Armee hatten vor drei Wochen eine Großoffensive gestartet.

Zur Verbesserung der Sicherheitslage will die afghanische Regierung die Entwaffnung von 40.000 Milizionären vorantreiben. In einer symbolischen Zeremonie wurden am Samstag 13 Panzer, sieben Flugabwehrgeschütze und weitere Artillerie aus Kabul gefahren und eingelagert. Die Aktion solle Milizenführern in anderen Landesteilen ein Beispiel sein, sagte der stellvertretende Kommandeur der Isaf-Schutztruppe in der Hauptstadt, Generalleutnant Wolfgang Korte. Mit der Einsammlung schwerer Waffen in den Provinzen soll in den kommenden Tagen begonnen werden.

Der afghanische Vizeaußenminister Mohammed Haider Resa verwies darauf, dass Millionen Minen und nicht explodierte Bomben jeden Monat etwa 100 Menschen töteten oder verstümmelten. Die Sprengkörper könnten innerhalb von zehn Jahren geräumt werden, wenn ausreichend finanzielle Mittel bereit stünden. Er schätzte die Kosten auf 425 Millionen Dollar. Die Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen forderte die internationale Gemeinschaft auf, während der Afghanistan-Konferenz in Berlin ausreichend Geld für die Fortsetzung der Minenräumung zu gewähren.

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