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Aus der Fraktion geschmuggelt

Die Fluppen-Affäre der liberalen Landtagsfraktion zieht Kreise: Nachdem der FDP-Abgeordnete Wilke Zigaretten über die Grenze schmuggeln ließ, wird es „Gespräche“ in der FDP-Spitze geben

von ANNIKA JOERES

Friedrich Wilke sitzt am Fenster seines Abgeordnetenbüros und wartet auf die Polizei. „Ich habe geschmuggelt und wusste es nicht“, sagt der Sprecher für Wissenschaft und Forschung der FDP-Landtagsfraktion. „Die Vorwürfe in ihrer Zeitung sind alle wahr“, sagt der Kettenraucher. Er habe fünf Stangen Zigaretten an FDP-Kollegen verteilt um sie zollfrei über die Grenze nach Frankfurt an der Oder zu bringen. „Aber wenn ich gewusst hätte, dass das Schmuggel ist, hätte ich die Finger davon gelassen.“ Aber ihm sei natürlich bewusst, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schütze, sagt der Informatik-Professor der Universität Köln.

Anfang der Woche sind sechzehn FDP-Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen nach Frankfurt an der Oder gereist, um sich über die EU-Osterweiterung zu informieren. Morgens gab es Gespräche mit der Polizei über Schmuggel an der deutsch-polnischen Grenze, am Nachmittag dann hat Wilke nach Augenzeugenberichten sechs Stangen Zigaretten gekauft, kurz vor der Grenze an seine KollegInnen verteilt und kurz danach wieder in eine schwarze Tüte eingesammelt. Wilke behauptet jetzt, nur fünf Stangen erworben zu haben – aus gutem Grund: Fünf Stangen bedeuten 1.000 Zigaretten, und erst ab dieser Menge wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dies könne dann, so Henning Kühne vom Hauptzollamt in Frankfurt (Oder), eine Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren nach sich ziehen.

Ob nun fünf oder sechs Stangen, bei den NRW-Liberalen zieht der Fluppen-Schmuggel Kreise: „Es wird Gespräche mit dem Fraktionsvorsitzenden geben“, sagt Sprecher Andreas Theyssen. „Die einzige Konsequenz, die wir ziehen könnten, wäre der Ausschluss“, sagt Theyssen. Man müsse aber abwarten, ob diese Maßnahme dem Vergehen entspreche. Schließlich sei die „Aktion wahrscheinlich“ in den privaten Teil der Reise gefallen. Theyssen selbst war auch mit auf der Ostreise, kann sich aber nicht erinnern, wie viele Stangen Wilke gekauft hat. „Ich habe nur die schwarze Tüte gesehen“, sagt der liberale Sprecher.

Horst Engel, innenpolitischer Sprecher und Polizeihauptkommissar, hat für Wilke zehn Päckchen über die Grenze gebracht. Der Nichtraucher behauptet nun, die Zigaretten für seinen Schwager in Stuttgart gekauft zu haben, als Ostergeschenk. „Zigaretten sind in Polen ja billiger als bei uns“, sagt Engel. Es sei für ihn einfach nur bequem gewesen, dass sein Parteifreund Wilke ihm die Zigaretten bis zur Abrechnung hinterhergetragen habe.

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