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„Tumor“ im Volkskörper?

Der zunehmende Anteil an Ausländern sei wie ein wachsendes Geschwür der Gesellschaft, findet ein CDU-Stammtischler – und stellt damit erneut die Frage, ob die Partei nicht ein strukturelles Rechtsauslegerproblem hatvon Kai Schöneberg

Die CDU hat erneut einen ausländerfeindlichen Ausfall zu beklagen. „In unserem Staat steckt ein Tumor, der die Gesundheit unserer Gesellschaft bedroht.“ O-Ton Jürgen Bregulla (Foto), CDU-Chef im 950-Einwohner-Dorf Pohle im Schaumburger Land. Mit dem „Tumor“ meinte der ehemalige Soldat vergangene Woche bei der Pohler CDU-Jahresversammlung die wachsende Zahl an Migranten. In seiner beklatschten Rede ließ Bregulla keinen Zweifel daran, was gegen Ausländer in Deutschland zu tun sei. „Es gilt den politischen Chirurgen zu finden, der diesen Tumor wegoperiert.“ Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Joachim Runkel soll applaudiert haben.

„Bald“ müsse dafür gesorgt werden, dass weniger Ausländer nach Deutschland kommen, sagte Bregulla weiter. Es gehe um die „Schicksalsfrage unseres Volkes“. Viele Ausländer seien nun mal kein Gewinn für Deutschland, vor allem die „Kriminellen, die sich als Dealer, Zuhälter, Räuber, Diebe, Schläger oder Messerstecher betätigen“. Bregulla weiter: Der Islam sei eine „zutiefst militante Religion“ und eine „latente Bedrohung für unsere Art“ zu leben. Ebenso meint er, dass „die meisten Erdenbewohner“ nicht wüssten, wo Deutschland liege. „Außer denen, die wissen, dass es hier Knete gibt“.

„Er bedauert die verunglückte Wortwahl“, sagte gestern ein zerknirschter Friedrich-Otto Ripke, Generalsekretär der niedersächsischen CDU. Zuvor hatte er mit dem derzeit im Krankenhaus liegenden Bregulla telefoniert. Die Rede sei „in Teilen nicht akzeptabel“, sagte Ripke. „Sehr sorgfältig“ prüfe die CDU nun, ob der Rechtsausleger vom Lande weiter in der Partei bleiben könne.

Die Rede grenze an „Volksverhetzung“, sagte die Grünen-Landesvorsitzende Brigitte Pothmer. CDU-Landeschef Christian Wulff solle sich klar distanzieren, damit die CDU nicht in Verdacht gerate, „mit einem Bein im braunen Sumpf zu stehen.“

Von „ausländerfeindlichen und rechtsextremistischen Begrifflichkeiten“, sprach der Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Cornelius Schley. „Entweder hat die CDU einen besinnungslosen Schwätzer als Ortsvorsitzenden gewählt, oder Herr Bregulla meint, was er sagt. Dann ist die Partei gefordert, ihn dazu zu bringen, sich zu distanzieren oder zurückzutreten.“ Der CDU-Landtagsabgeordnete Runkel dürfe sich jetzt nicht damit herausreden, dass er nicht richtig zugehört habe. Die CDU sei eine „weltoffene Partei“ und habe „kein strukturelles Problem“ mit ausländerfeindlichen Haltungen in den eigenen Reihen, betonte hingegen Generalsekretär Ripke.

Im vergangenen November hatte sich der Huder CDU-Mann Thorsten Thümler in einer Zeitungsanzeige hinter den geschassten CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann gestellt, der zuvor die Juden als „Tätervolk“ bezeichnet hatte. Er blieb Mitglied der Landtagsfraktion. Kurze Zeit später musste der Wolfsburger CDU-Ratsherr Benno Klett zurücktreten, weil er demonstrierende Italiener als „Kanaken“ beschimpft hatte.

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